Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
einem Menschen, sondern dem
Gekreuzigten. Ich weigerte mich, mich eingehender mit dieser Ehe-Thematik zu befassen, weil sie mir nicht weiterhalf und ich sie merkwürdig fand. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit Jesus verheiratet zu sein.
Mutter erzählte uns von Bruder Andrew, einem Australier, der Jesuitenpriester gewesen war, ehe er sich mit Mutter zusammentat und 1963 den Männerorden der Missionare der Nächstenliebe gründete, deren Oberster Diener er war. Andrew hatte alle Brüder, die mit ihm in Vietnam gearbeitet hatten, zurück ins sichere Indien geschickt, weil er den Fall Saigons befürchtete, aber er blieb, um bei den Leuten zu sein, um die sie sich gekümmert hatten. Ein Bruder in der Ausbildung weigerte sich zu gehen. »Selbst wenn du mich aus der Bruderschaft ausstößt, werde ich dich und die Leute nicht verlassen«, erklärte er Bruder Andrew. Mutter sagte, wir sollten für sie beten, denn wenn die Truppen durchbrächen, würden sie womöglich beide erschossen. Diese Geschichten machten einen tiefen Eindruck auf mich.
Zu unserer siebentägigen Schweigeklausur gingen wir mit Mutter hinaus nach Corpus Christi. Ich spürte, dass ihr der Ort nicht gefiel, weil sie ihn für die Arbeit der MNs als zu groß und zu modern empfand. Dort hörten wir jeden Tag eine Lesung des Abts und noch eine von Mutter und verbrachten dann den Rest der Zeit im Gebet. Wir sahen Mutter auch zu einem privaten Gespräch und legten bei Dom Kevin die Beichte ab.
Während dieser Tage beschäftigte mich die Frage, warum Mutter sich so sicher war, dass die Schwestern im Nahen Osten nicht in Gefahr waren, während sie sich um Bruder
Andrew und seinen Gefährten in Vietnam Sorgen machte, die doch einer wie der andere unter der Fürsorge desselben Gottes standen. Ich musste auch an die Menschen denken, die vor dem neunten Tag der Novena gestorben waren. Sie waren Gott doch gewiss so wertvoll wie die Schwestern und starben doch nicht nur, weil ein paar Gebete gefehlt hatten.
Am 14. Mai 1975 im Alter von einundzwanzig Jahren kniete ich zusammen mit meinen Mitschwestern Naomi, Laboni und Elina vor Mutter Teresa in der All Saints Church Fitzroy und verpflichtete mich Gott und dem Orden. Mama kam zu meiner Profess zusammen mit Großmama, Tony, Rod und Judy von Moss Vale herunter. Ich war so froh, Rod wieder kräftig und gesund zu sehen. Toby und mein Freund Paul, der ein Franziskanermönch in brauner Kutte geworden war, nahmen ebenfalls daran teil, und auch Naomis Familie. Wir Novizinnen trugen zum ersten Mal unseren neuen Sari mit Blau, der die Professen auszeichnete, und gingen dann zur Kirche, wo sich alle versammelt hatten. Mutter überreichte jeder von uns ein Kreuz, das wir küssten und uns an den Strick hefteten, den wir um die Taille trugen. Gemeinsam mit den anderen legte ich meine ersten Gelübde gemäß der vorgeschriebenen Formulierung ab.
»Zur Ehre und zum Ruhm Gottes … weihe ich mich Ihm ganz in vollkommener Hingabe, liebendem Vertrauen und mit Fröhlichkeit … in Anwesenheit von Mutter Teresa MN gelobe ich, Schwester Tobit Livermore MN, für ein Jahr Keuschheit, Armut, Gehorsam und den Dienst an den
Ärmsten der Armen aus ganzem Herzen und ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen, gemäß den Satzungen der Missionarinnen der Nächstenliebe …«
Danach saß ich mit meiner Familie zusammen, und wir plauderten auf dem vorderen Hof in der Gore Street, wo der Morgentee eingenommen wurde, und ich bekam Karten und Telegramme von meinen Freundinnen, Onkeln, Tanten und Cousins. Großmama und die Jungs hatte ich kaum gesehen, seit ich von zu Hause weggegangen war. Wir gingen nicht aus, weil Großmama nicht weit laufen konnte und das Auto zu klein für sechs Leute war, und so bekam meine Familie, während wir innerhalb der Gemeinschaft unser Festmahl einnahmen, ihr Essen im Salon serviert.
Kurz bevor wir uns zum Mittagessen niederließen, nahm Schwester Regina uns beiseite, um uns zu sagen, dass Mutter nun verkünden werde, wo wir eingesetzt würden. Nachdem wir uns versammelt und vor dem Essen das Tischgebet gesprochen hatten, verkündete Mutter alle Versetzungen, beginnend mit den neuen Professen. Jede Ankündigung wurde mit Rufen und Klatschen begrüßt. »Schwester Naomi, du wirst nach Katherine ins Northern Territory gehen. Schwester Elina, du bist für Bourke vorgesehen. Schwester Laboni, du kommst nach Port Moresby, und Schwester Tobit, du wirst hier im Noviziat bleiben, um Schwester Regina
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