Wenn heiße Wuensche erwachen
hatte die Stute eine geradezu stoische Ruhe bewahrt.
Natürlich kannte Lyndie die Gründe, weshalb sie vom Pferd gestürzt war: ihre Dickköpfigkeit und ihre Unfähigkeit, Anweisungen von Mr. Bruce Everett zu befolgen.
Erschöpft warf sie sich auf ihr Bett, ohne auf ihre staubige Jeans und die Stiefel zu achten.
Nach einer kurzen Verschnaufpause stellte sie ihren Laptop an. Online las sie ihre E-Mails, um zu sehen, wie ihr Buchhalter und Steuerberater während ihrer Abwesenheit vorankam.
Es gab eine dringende Nachricht von ihm. Lyndie war klar, dass der Mann in Panik sein musste, da kein Geld mehr da war, um die neuen Bestellungen zu bezahlen.
Umso überraschter war sie, als sie folgende Mail las:
Liebe Lyndie,
keine Sorge! Ein neuer Investor, die MDR Corporation, will uns das Vierfache der Summe, die wir für die Expansion angesetzt haben, zur Verfügung stellen. MDR hat davon gehört, dass Du einen stillen Teilhaber suchst, und hat versprochen, die fragliche Summe Montagmorgen anzuweisen. Wir können den Vertrag durchsehen und sämtliche Dokumente unterzeichnen, wenn Du Ende des Monats wieder zurück bist.
Bis dahin bestehe ich darauf, dass du dich gut erholst, denn genau das werde ich auch tun.
Alles läuft extrem gut im Big Easy!
Rick
Lyndie las die Nachricht zweimal. Nicht zu fassen! Sie hatte tausend Fragen an Rick Johnstone, und zückte sofort ihr Handy.
„Rick, hier spricht Lyndie. Erzähl mir alles”, bat sie, nachdem er sich gemeldet hatte.
Er lachte. „Wir bekamen ein Fax, in dem wir praktisch angebettelt wurden, MDR als stillen Teilhaber zu akzeptieren.”
„Aber wer ist das?” wollte sie wissen.
„Nun, sieh dem geschenkten Gaul ins Maul, wenn du wieder hier bist. Ich weiß nur, dass du dort, wo du jetzt bist, jemanden mächtig überzeugt haben musst, weil die Firmenadresse von MDR ein Ort namens Mystery ist.”
Sie starrte fassungslos auf ihr Handy.
„Lyndie?”
„Ja?” Ihre Miene verfinsterte sich. Sie wusste genau, wer ihr Retter war.
Ihre Großtante Hazel. Der Frau gehörte fast ganz Mystery. Sie hatte genug Geld, um stiller Teilhaber eines Unternehmens zu werden.
Aber das konnte Lyndie nicht akzeptieren. Hazel gehörte zur Familie. Sie konnte mit dem Geld keine Risiken eingehen, wenn die Familie beteiligt war. Ihre Mutter war zu stolz gewesen für Almosen, und Lyndie war es ebenfalls.
Sie rieb sich den nach wie vor schmerzenden Kopf. „Lass mich darüber nachdenken. Ich werde versuchen, morgen zurück zu sein.”
„Es ist ein guter Deal, Lyndie. Aber tu, was du tun musst.”
Sie legten auf.
Schweigend saß sie eine ganze Weile auf der Bettkante.
Sie konnte nicht zulassen, dass Hazel ihr Schutzengel wurde. Das Loch, in dem sie steckte, hatte sie sich selbst gegraben. Die Expansion war bereits im Gange gewesen, als Lyndie festgestellt hatte, dass sie nicht über genügend Kapital verfügte. Sie und Rick wussten, dass sie ihr Geschäft verkaufen musste, falls sie kein neues Kapital auftreiben konnten, um ihre Schulden zu bezahlen.
Sie würde sich heute Abend mit Hazel treffen und sich weigern, das Geld anzunehmen.
Morgen würde sie nach Hause fliegen und die Sache von neuem angehen. Vielleicht klappte es ja diesmal.
Jetzt musste sie nach dem Abendessen nur irgendwie zu Hazel kommen, und deshalb würde sie wahrscheinlich Bruce fragen müssen, ob er sie hinfuhr.
Lyndie stöhnte. Gab es denn überhaupt keine Möglichkeit, vor diesem Mann wenigstens einmal das Gesicht zu wahren?
Resigniert griff sie nach ihrer Kulturtasche. Sie musste erst mal ein heißes Bad nehmen und sich von den Strapazen ihrer ersten Reitlektion erholen.
In Mystery gab es doch bestimmt ein Taxiunternehmen. Sobald sie gebadet hatte, würde sie herausfinden, wen sie anrufen konnte. Dann brauchte sie niemanden mehr um einen Gefallen zu bitten, und schon gar nicht würde sie Bruce Everett zu Dank verpflichtet sein und seinen verdammten allwissenden Blick ertragen müssen.
Der Plan klang so gut. In der Theorie. Es war genau wie bei ihren Investoren.
„Hab so ein Gerücht gehört, dass Hazels Großnichte verschwinden will”, meinte Justin Garth, der Stallmeister, beim Essen mit den Cowboys.
Bruce sah von seinem Laptop auf. Er hielt sich durch Berichte von seiner Ranch über seine Herde in Ost-Montana auf dem Laufenden.
„Sie geht nirgendwohin. Sie braucht diesen Urlaub unbedingt”, erklärte er in scharfem Ton und schaute wieder angelegentlich auf den Computerbildschirm.
„Da hab ich aber
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