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Wenn Ich Bleibe

Titel: Wenn Ich Bleibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Forman
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Auftritten zu gehen, traf ich ihn wieder.
    Eines Nachts war er auf seinem Posten, mischte den Ton für eine Band aus Portland namens »Clod«, als er einfach über dem Mischpult zusammenbrach. Er war tot, als der Krankenwagen ankam. Eine Hirnblutung.
    Kerrys Tod stürzte unsere Stadt in Aufruhr. Er war eine bekannte Persönlichkeit gewesen, ein geradliniger Kerl mit einer starken Ausstrahlung und wilden Dreadlocks, der kein Blatt vor den Mund nahm. Und er war noch jung gewesen, erst zweiunddreißig. Jeder, den wir kannten, wollte an seinem Begräbnis teilnehmen, das dort stattfinden sollte, wo er geboren war – in den Bergen, ein paar Autostunden weit entfernt. Natürlich gingen meine Eltern hin und auch Adam. Und obwohl ich mich ein wenig wie ein Eindringling fühlte, der eigentlich auf dieser Beerdigung nichts zu suchen hatte, beschloss ich, ebenfalls mitzukommen. Teddy blieb bei meinen Großeltern.

    Wir fuhren mit einigen anderen Leuten zu Kerrys Beerdigung. Henry und Willow quetschten sich zu uns ins Auto. Willow war hochschwanger, sodass der Sicherheitsgurt nicht über ihren Bauch passte. Abwechselnd erzählten alle lustige Geschichten über Kerry. Kerry, den Linken, der gegen den Irak-Krieg protestierte, indem er ein paar Jungs überredete, sich als Transvestiten zu verkleiden, und gemeinsam mit ihnen ins hiesige Rekrutierungsbüro ging, um sich »freiwillig zu melden«. Kerry, der überzeugte Atheist, der sich furchtbar darüber aufregte, wie sehr die Christen Weihnachten kommerzialisiert hatten und daher jedes Jahr eine fröhliche Anti-Weihnachtsfeier im Klub veranstaltete, wo ein Wettbewerb zwischen den Bands stattfand, wer die schrägste Version eines Weihnachtsliedes spielen konnte. Dann durften alle Anwesenden ihre ungeliebten Weihnachtsgeschenke auf der Tanzfläche zu einem großen Haufen türmen. Aber entgegen allem, was die öffentliche Meinung behauptete, verbrannte Kerry die Geschenke nicht, sondern stiftete sie der Kirche.
    Während über Kerry geredet wurde, war die Stimmung im Wagen fröhlich und gelöst, als ob wir auf dem Weg zu einem Zirkus wären und nicht zu einer Beerdigung. Aber es kam uns richtig vor, es passte zu Kerry, der stets vor Energie förmlich übergesprudelt war.
    Die Beerdigung aber war das komplette Gegenteil. Es war schrecklich niederdrückend – und nicht nur, weil jemand zu Grabe getragen wurde, der so tragisch und
jung gestorben war. Der Gedenkgottesdienst wurde in einer riesigen Kirche abgehalten, was mir merkwürdig vorkam, weil Kerry ein so überzeugter Atheist gewesen war, aber diesen Teil konnte ich noch begreifen. Wo sonst hätte man einen Gedenkgottesdienst abhalten sollen? Das Problem war der Gottesdienst an sich. Es war offensichtlich, dass der Pastor Kerry nie kennengelernt hatte, denn er gab nur Allgemeinplätze von sich, was für ein gutes Herz Kerry gehabt hätte und dass es zwar traurig sei, dass er von uns gegangen war, aber dass er jetzt seine himmlische Belohnung bekommen würde.
    Und statt seiner Bandmitglieder oder Menschen, mit denen Kerry die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens verbracht hatte, kam irgendein Onkel aus Boise zu Wort, der darüber redete, wie er dem sechsjährigen Kerry das Fahrradfahren beigebracht hatte, als ob dieser Abschnitt ein Schlüsselmoment in Kerrys Leben gewesen wäre. Er schloss seinen Vortrag mit den Worten, dass Kerry nun sicher an der Seite Jesu wandeln würde. Bei diesen Worten wurde meine Mutter feuerrot, und ich wurde ein wenig nervös, weil ich Angst hatte, sie würde aufspringen und etwas sagen. Wir gingen manchmal in die Kirche, und meine Mutter hatte nichts gegen die Religion. Kerry allerdings hatte ganz anders darüber gedacht, und meine Mutter entwickelte Leuten gegenüber, die sie mochte, einen ungeheuren Beschützerinstinkt. Das ging so weit, dass sie die Kränkungen,
die diese Menschen erfuhren, persönlich nahm. Ihre Freunde nannten sie aus diesem Grund manchmal »Mama Bär«. Ich konnte förmlich den Dampf aus ihren Ohren quellen sehen, als der Gottesdienst schließlich mit einer mitreißenden Bandaufnahme von Bette Midlers Wind Beneath My Wings endete.
    »Nur gut, dass Kerry tot ist, ansonsten hätte er bei diesem Begräbnis einen Tobsuchtsanfall bekommen«, sagte Henry. Nach der Kirche hatten wir beschlossen, uns die formellen Häppchen im Familienkreis zu sparen, und waren in einem Schnellrestaurant essen gegangen.
    » Wind Beneath My Wings? «, meinte Adam nachdenklich, während er auf meine stets

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