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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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dass ich es tatsächlich getragen habe.«
    »Verstehe«, sagte Stanley, obwohl er gar nichts verstand.
    »Es ist … eine lange Geschichte, und sie ergibt auch nicht allzu viel Sinn, aber … Sie wollte vor Jahren nach Paris fahren und den Eiffelturm besteigen. In einem roten Kleid. Aber es kam nie dazu, und …«
    Stanley hatte plötzlich ein Bild von Dara Flood in einem Kleid vor Augen. Ein dunkelblaues Kleid, dessen Saum bis zum oberen Rand ihrer schmutzigen Doc Martens reichte. Eigentlich müsste ihr Rot ganz gut stehen, aber er sah sie trotzdem in Dunkelblau.
    »Das … Das wollte ich Ihnen nur noch sagen …« Dara verstummte verlegen.
    Stanley räusperte sich. »Keine Sorge, Dara. Ich steige mit Ihnen und Ihrem Kleid am Donnerstag in das Flugzeug nach Paris, und wenn wir dort sind, gehen wir gleich als Erstes zum Eiffelturm. Ich mache dort oben ein Foto von Ihnen in Ihrem Kleid und maile es an Miss Pettigrew. Dann ist das schon mal erledigt, und wenn Sie wollen, können Sie sich danach ja wieder umziehen. Okay?«
    Dara lachte. Es war ein anmutiges Lachen. »Sie finden mich bestimmt ziemlich seltsam.«
    »Verglichen mit einigen meiner anderen Klienten sind Sie geradezu beruhigend normal«, versicherte ihr Stanley.
    »Was meinen Sie, wie groß ist die Chance, dass wir Mr. Flood in Paris finden?« Stanley hörte, wie sie die Luft anhielt, während sie auf seine Antwort wartete.
    »Gering.« Er wollte keine falschen Hoffnungen wecken, denn er wusste besser als so mancher andere, dass Hoffnung der Hauptbestandteil von Enttäuschung war. »Aber vielleicht kann uns diese Isabelle Dupoint weiterhelfen, auch wenn es unwahrscheinlich ist …«
    »Ich maile Ihnen die Infos zu Flug und Hotel, okay?«
    »Okay. Tja, dann bis Donnerstag.«
    »Bis dann.« Sie legten gleichzeitig auf, und Stanley lehnte sich zurück, ohne zu bedenken, dass er auf einem Hocker saß. Er kippte nach hinten, knallte mit dem Knie an die harte Schreibtischkante und landete auf dem Boden. Und obwohl er sich allein im Zimmer befand und die Jalousien unten waren – nicht ganz, aber tief genug  – sprang er auf, klopfte sich den Staub von der Hose und murmelte: »Okay, das war ziemlich dämlich«, so, wie man es macht, wenn noch jemand im Zimmer ist und die Jalousien nicht tief genug zugezogen sind. Vor Verlegenheit errötete er wie ein Schuljunge, und ihm wurde so heiß, dass er die Jacke ausziehen und die Hemdärmel hochkrempeln musste. Er setzte sich wieder auf den Hocker und nahm erneut das Foto von Ian Harte zur Hand. Doch es war Dara Flood, die er sah, in einem Kleid, und diesmal war es nicht blau, sondern von einem weichen Rot, und der Stoff kräuselte sich an der sanften Rundung ihrer Hüften. Das Bild überraschte ihn unter anderem deshalb, weil er keine Ahnung hatte, ob Daras Hüften knochig oder sanft gerundet waren. Aber er tippte intuitiv auf Letzteres.

    Es muss Samstag sein. Götterspeise mit Eis zum Dessert. Und am Nachmittag Nora, nur eine Stunde. Manchmal nicht einmal das, je nachdem, wie sie aufgelegt ist.
    »Zieh die Vorhänge zu und leg dich zu mir ins Bett«, sage ich, als sie hereinkommt und sechs Bingo-Karten und die dazugehörigen Spielsteine verteilt.
    »Benimm dich, du!«, röhrt sie mit ihrem Dubliner Akzent, der noch immer so unüberhörbar ist wie das Pfeifen einer Dampflok, obwohl sie seit Jahren hier lebt.
    Irgendwie ist jeder Zweite, den ich in Manchester kennengelernt habe, Ire oder irischer Abstammung.
    Ich richte mich mühsam auf, und meine Ellbogen knirschen unter dem Gewicht meines Oberkörpers, dabei kann mich Fidelma vom Bett in den Rollstuhl heben, ohne ins Schwitzen zu geraten.
    »Du zeigst mir deins, ich zeig dir meins.« Ich weiß, sie wird nicht darauf eingehen. Zum Glück. Es gab eine Zeit, da hätte ich mich ohne zu zögern vor jeder Frau landauf, landab splitternackt ausgezogen. Ich vermisse diese Selbstsicherheit.
    Das Komische ist: Ich gewinne. Beim Bingo. Jeden verdammten Samstag, und das, nachdem ich mein Leben lang verloren habe. Ich wusste immer, dass ich irgendwann gewinnen würde. Ich hätte nur nicht gedacht, dass es so lange dauern würde.
    Als Nora weg ist, kehrt Stille ein. Es ist immer still, nachdem sie gegangen ist. Die Ruhe nach dem Sturm. Wir sammeln uns, bringen unsere Kleider in Ordnung und warten darauf, dass sie uns nächste Woche wieder neues Leben einhauchen wird. Falls wir dann noch da sind.
    Wenn ich ein Glücksspieler wäre – und mal ehrlich, genau das bin ich, schon

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