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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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Unterfangen ziehen. Der Hoffnung, die sie noch heute Morgen im Flugzeug gehegt hatte, den Garaus machen. Der Hoffnung, dass sie Mr. Flood finden würde. Dass er als Spender geeignet sein würde. Dass er bereit sein würde zu helfen.
    Doch sie konnte nicht weinen, sosehr sie sich auch bemühte. Sie dachte an Angel und ihre Mutter, an ihre enttäuschten Gesichter, wenn sie ihnen erzählte, dass ihre Suche im Sand verlaufen war. Schon wieder. Trotzdem ließen die Tränen auf sich warten. Sie dachte an Mme Dupoint, die geweint hatte, als sich Dara im Schlafzimmer zu ihr umgedreht und gesagt hatte: »Es ist wie das Zimmer meiner Mutter.« Mme Dupoint hatte so mühelos weinen können. Als wäre nichts dabei. Als würde es sie keinerlei Anstrengung kosten, die Tränen fließen zu lassen, bis sie von ihrem Kinn hingen wie Stalaktiten. Doch Dara fühlte nichts. Sie
war wie betäubt. Schlimmer noch. Die Kälte, die sie erfasst hatte, erstickte jegliche Gefühle. Sie wartete auf das Brennen in den Augen, auf den Kloß, den sie manchmal im Hals hatte, wenn eine nette Familie – Vater, Mutter und zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, eine perfekte Vorzeigefamilie  – zu ihnen ins Hundeasyl kam und wenig später wieder ging, ohne einen ihrer Schützlinge mitzunehmen.
    Nichts. Also hatte sie sich damit begnügt, auf dem Bett zu liegen und Stanleys vorsichtiges Klopfen zu ignorieren, und das dezente Piepsen ihres Mobiltelefons, wenn er ihr wieder eine SMS geschickt hatte. Ja, das war unhöflich, aber sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte, da die Tränen ausblieben. Sie hatte nichts erreicht. Hatte ihre Familie gegen ihren Willen mit Versprechungen gelockt, hatte wider besseres Wissen Hoffnung und Zuversicht geweckt. Sie hatte zwar das Gefühl, Mr. Flood nun ein bisschen besser zu kennen, aber was nützte das schon?
    Das Hämmern wurde lauter. Sie erhob sich widerwillig, ging zur Tür, öffnete sie einen Spalt breit.
    »Wir sollten rausgehen.«
    Es war eine Feststellung, keine Frage, und sie überraschte Dara. Stanley wirkte ebenso überrascht. Sie öffnete die Tür etwas weiter und bedeutete ihm hereinzukommen. Er trat ein, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, wie er es des Öfteren tat, sodass seine Stirnfransen senkrecht in die Höhe standen, und schien darauf zu warten, dass sie etwas sagte.
    Dara setzte sich wieder aufs Bett. »Ich kann nicht. Ich muss zu Hause anrufen. Ich muss es ihnen erzählen.«
    »Nur zu. Ich warte solange, und dann gehen wir.«
    »Ich weiß aber nicht, was ich sagen soll.«
    »Erzählen Sie einfach, was passiert ist.«
    »Das kann ich nicht. Ich will ihnen etwas Erfreuliches sagen. Eine positive Neuigkeit. Angel ist ohnehin schon so deprimiert.«
    Stanley trat zu ihr, zögerte, setzte sich neben sie. »Angel wird zwar nicht erfreut sein, aber sie würde bestimmt Bescheid wissen wollen. Und Ihre Mutter ebenfalls. Nach dem zu urteilen, was Sie mir von ihnen erzählt haben, sind sie beide starke Frauen. Und Sie auch.«
    Und da brach Dara in Tränen aus. Vielleicht, weil Stanley sie eine starke Frau genannt hatte und sie ihm zeigen wollte, dass er sich irrte. Vielleicht auch, weil es ihr fast wie ein Erfolg vorkam, dass sich ihr Körper endlich geschlagen gab und sie weinen ließ, nachdem sie es eineinhalb Stunden lang versucht hatte. Richtig weinen. Zum ersten Mal seit langem. Möglicherweise lag es auch an seinen Worten, an der Liebenswürdigkeit, mit der er sie ausgesprochen hatte. Als wüsste er, was in ihr vorging. Sie weinte und weinte und hatte das Gefühl, nie wieder damit aufhören zu können.
    Stanley saß eine Weile stumm neben ihr, dann hob er die Hand und tätschelte ihr die Schulter, ganz vorsichtig, als wäre sie ein Hund, der jeden Moment zubeißen konnte. Irgendwann legte er sein Handy und seinen Lonely Planet beiseite, rutschte ein Stück näher und legte ihr den Arm um die Schultern. Sie registrierte, wie er zögerte, ehe er seine Hand ablegte und sie erneut zu tätscheln begann.
    »Ist ja schon gut … Nicht weinen …«
    Dara war nicht ganz sicher, aber es kam ihr so vor, als hätte er irgendetwas dergleichen gemurmelt. Sie konnte kaum noch etwas hören, nachdem sie den Kopf in seine warme Halsbeuge geschmiegt hatte. Sie wusste, sie hätte es lieber bleiben lassen sollen, aber es war ein so vertrautes,
geborgenes Gefühl, als täte sie es nicht zum ersten Mal. Stanley setzte sich etwas anders hin, als sie sich an ihn lehnte, aber er wich nicht zurück, und seine Hand

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