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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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der Tür zu lesen, als wäre es völlig einerlei, dass die Uhr die falsche Zeit anzeigte. Darüber saß auf einer Stange ein großer, bunter Papagei, der leise »Chanson d’Amour« vor sich hin trällerte, als würde er für später üben. Jemand hatte die Tagesgerichte mit Kreide auf eine schwarze Tafel geschrieben, allerdings waren die winzigen, verschnörkelten Buchstaben unmöglich zu entziffern. Stanley roch Kaffee und Knoblauch und einen süßen Duft. Vanille vielleicht.
    Er hielt Dara die Tür auf. »Es ist perfekt.«
    Erst als er wenig später einen unauffälligen Blick zu Dara wagte, die ihm gegenübersaß und mit besorgter Miene die Speisekarte studierte, wurde ihm klar, was das Gefühl war, das ihn schon die ganze Zeit verfolgte.
    Er war glücklich. Oder jedenfalls nahe daran. Die Erkenntnis überraschte ihn. Er beugte sich über seine Speisekarte, doch das Gefühl hielt sich beharrlich. Es breitete sich sogar noch weiter in ihm aus, füllte sämtliche Poren, wie Butter auf Toast, bis ihm davon ganz warm war. Er räusperte sich und fragte ohne den Kopf zu heben: »Wissen Sie schon, was Sie nehmen?« Er hatte den Verdacht, dass er lächelte, und er kam sich deswegen irgendwie albern vor.
    »Nein.« Dara begann an ihren Fingernägeln zu kauen.
    »Wie wär’s mit Fisch?«, schlug er vor. »Loup de mer, das klingt doch gut.«
    »Ja, es klingt gut.«
    »Aber Sie haben Angst, enttäuscht zu werden, wenn es nicht so gut schmeckt, wie es klingt, stimmt’s?«
    Dara legte die Speisekarte ab und musterte ihn ernst. »Ich weiß, es ist lächerlich, aber ich habe ein Problem mit Restaurants. In Dublin gehe ich fast immer in dasselbe Lokal, und bestelle jedes Mal das Gleiche. Erbärmlich, ich weiß.«
    »Das ist ganz und gar nicht lächerlich, sondern einfach nur ein gesundes Misstrauen«, sagte Stanley, und als ein Lächeln über ihr herzförmiges Gesicht huschte, löste das ein derartiges Hochgefühl bei ihm aus, dass er sich vornahm, alles zu tun, um sicherzustellen, dass sie etwas bestellte, das ihr hervorragend schmeckte. Vielleicht würde sie ihm dann ja noch einmal ein solches Lächeln schenken. Dara Floods Lächeln mochte klein und zurückhaltend sein, aber es war unverwässert. Es war echt. Und weil sie es so sparsam einsetzte, kam er sich vor wie ein Held, wenn er etwas tat oder sagte, das ihr dieses Lächeln entlockte, und sei es noch so flüchtig. Er wollte mehr davon.
    Stanley beugte sich über den Tisch. »Wissen Sie was? Ich bestelle den Fisch, und Sie probieren ihn, und wenn er Ihnen schmeckt, können Sie ihn haben, okay?«
    »Aber was ist, wenn ich etwas bestelle, das Sie nicht mögen?« Über ihrer Nasenwurzel erschien eine Falte, die er allmählich nur zu gut kannte. Ihre Sorgenfalte.
    »Ich mag alles«, versicherte er ihr in einem Tonfall, der ihm selbst fremd vorkam, so überzeugt klang er.
    »Nun, ich hatte da an den gemischten Salat gedacht …«
    »Damit kann man unmöglich etwas falsch machen.«
    »Und dazu vielleicht eine Portion Bratkartoffeln.«
    »Mir sind noch keine Bratkartoffeln untergekommen, die mir nicht geschmeckt hätten«, sagte Stanley. »Wie sieht es mit Fleisch aus? Meine Mutter sagt immer, zu einem ordentlichen Essen gehört ein Stück Fleisch. Sie sagt das sogar
zu Lorcan, und der ist Vegetarier. Allerdings nur, weil er glaubt, dass er als Vegetarier bei den Frauen besser ankommt.«
    »Und, stimmt es?«
    »Was?«
    »Dass er deswegen bei den Frauen besser ankommt?«
    »Äh, nein, ehrlich gesagt habe ich nicht den Eindruck.«
    Diesmal lachte Dara, und Stanley fühlte sich wie ein amerikanischer Baseballspieler nach einem – wie hieß das noch gleich? – ach richtig, nach einem Homerun. Die Kellnerin trat mit einer Karaffe Rotwein an ihren Tisch, und Stanley musste sehr an sich halten, um nicht aufzuspringen und ihr die Hand zum High five hinzustrecken. Er füllte stattdessen ihre Weingläser randvoll.
    »Vielleicht ein Steak?«, schlug er Dara vor.
    »Hm … Die Franzosen essen ihre Steaks am liebsten blutig, nicht?« Die Sorgenfalte war wieder da, und Stanley hätte sich am liebsten geohrfeigt.
    »Sie könnten ja darum bitten, dass man es Ihnen …« Er holte einen Zettel aus der Hosentasche, faltete ihn auseinander und studierte ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Bjen quit serviert.« Es dauerte einen Moment, bis sich Daras Miene erhellte. »Ach, gut durchgebraten meinen Sie. Ja, das könnte ich machen.«
    »Moment.« Stanley spähte erneut auf seinen Spickzettel.

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