Wenn ich dich gefunden habe
»Am besten sagen Sie, Sie wollen das Steak trä, trä bjen quit. Mann, mein Französisch ist echt lausig. Na, jedenfalls, wenn Sie sagen, Sie hätten das Steak gern sehr, sehr gut durchgebraten, dann muss der Koch gezwungenermaßen dafür sorgen, dass das Rind tot ist, bevor es auf Ihren Teller kommt, nicht?«
Wieder lachte Dara. Stanley hatte noch nie ein solches
Lachen gehört. Es war ein tiefes, leises, kehliges Lachen, mit geschlossenem Mund, als würde sie versuchen, es zu unterdrücken.
Bis die Vorspeisen kamen – Knoblauchbrot für Dara (»Was kann da schon schiefgehen?«, hatte Stanley gesagt) – hatten sie die Karaffe bereits geleert.
»Ich habe immer noch Durst«, stellte Stanley fest.
»Ich auch.«
»Sollen wir noch eine Karaffe bestellen?«
»Ich weiß nicht recht …«
»Wir können ja etwas Wasser dazu bestellen.«
»Müssen wir es trinken?«
»Aber nein. Doch nur, um den Schein zu wahren.«
»Also gut.«
Stanley war sehr zufrieden mit dem Verlauf der Ereignisse. Zugegeben, der Tag hatte peinlich angefangen (er wurde immer noch rot, wenn er an die piepsende Designerunterhose dachte), und dann mittags der Durchhänger mit Daras Stimmungstief und dem Notfallanruf bei Sissy … Aber jetzt schien sich ja doch noch alles zum Guten zu wenden. Stanley konnte sich nicht entsinnen, wann er zuletzt einen so schönen Tag verbracht hatte. Er hatte weder an Cora noch an die Kerzenständer gedacht und auch nicht an den Kuss. Okay, an den Kuss hatte er vorhin auf der Toilette kurz gedacht. Die Erinnerung hatte sich in seine Gedanken geschlichen wie eine Katze, die fauchend um Aufmerksamkeit buhlt. Sie hatte ihn geküsst.
Und während er dort am Pissoir gestanden hatte, war etwas Seltsames geschehen. Er war wütend geworden. Die Wut war ganz plötzlich gekommen, aufgewühlt und außer Atem, mit einer Entschuldigung, weil sie sich verspätet hatte und dem Versprechen, es wiedergutzumachen. Stanley
stand viel länger am Pissoir, als es sich in einem Restaurant ziemte. Was hatte sich Cora eigentlich dabei gedacht, ihm einfach die Zunge in den Mund zu stecken? Noch dazu so kurz vor dieser verfluchten Verlobungsparty, auf die Stanley überhaupt nicht gehen wollte! Sie war eine Mutter, verdammt nochmal! Die Verlobte seines Bruders. Und dann auch noch der Griff zu seinem Hosenladen, einfach so, als wären die vergangenen fünfzehn Monate gar nicht passiert. Als würden sie nicht das Geringste bedeuten. In seiner Küche. Seiner Zufluchtsstätte. Er hatte die Würstchen für Sissy verbrennen lassen, wegen Coras Dreistigkeit. Wegen ihrer Gedankenlosigkeit. Ihrer Gleichgültigkeit. Nicht nur ihm gegenüber, sondern auch gegenüber Cormac und dem Baby.
Der Mann, der nach ihm hereingekommen war, zog den Reißverschluss seiner Hose zu, wusch und trocknete sich die Hände, inspizierte seine Zähne im Spiegel und ging hinaus, und erst da wurde Stanley bewusst, dass er noch immer dort stand. Er machte den Hosenladen zu, wusch sich die Hände mit kaltem Wasser, strich sich über die Stirnfransen. Seine Wut war verraucht, dafür fühlte er sich nun seltsam energiegeladen, wie wenn man nach einem langen, heißen, anstrengenden Tag eiskalt duscht.
»Geht es Ihnen gut?«, fragte Dara, als er sich setzte.
»Ja, warum?«
»Sie wirken ein bisschen … fahrig. Ist alles in Ordnung?«
»Ja, alles bestens.« Er machte sich über Daras Steak her.
»Und es macht Ihnen wirklich nichts aus, mein Steak zu essen? Es sieht ziemlich … blutig aus.«
Aus dem Steak sickerte in der Tat ein rotes Rinnsal, das sich mit dem Salat und den Kartoffeln vermischte. Ȇberhaupt
nichts.« Stanley belud seine Gabel mit rosarotem Fleisch und führte sie zum Mund. Plötzlich hatte er einen Bärenhunger. Alles, selbst das blutige Fleisch schmeckte frisch und neu und aufregend. »Wie ist der Fisch?«
»Richtig lecker, wenn ich ehrlich sein soll.« Daras Gesicht strahlte vor Verwunderung.
Stanley lächelte sie an und spürte, wie ihre Verwunderung ihn in den Kniekehlen kitzelte (die sehr empfindlich waren), als hätte sie Finger. Eine Weile aßen sie schweigend.
»Hat sich Miss Pettigrew schon zu dem Foto geäußert, das Sie ihr geschickt haben?«, erkundigte sich Dara, als der Kaffee kam. Es gefiel Stanley, wie sie den Kopf über die dampfende Tasse beugte und inhalierte, ehe sie trank.
»Ich seh gleich mal nach.« Seine Finger huschten bereits über das Handy. Er lächelte. »Sie schreibt: ›Ich wusste doch, dass sie keine Knubbelknie
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