Wenn ich dich gefunden habe
Miene.
»Das war auch gar nicht nötig«, bemerkte Sissy blasiert. Stanley machte sich nicht die Mühe, Einwände zu erheben. Es hatte ohnehin keinen Zweck, und außerdem fiel ihm kein einziges schlagkräftiges Gegenargument ein.
»Schminkst du mir die Augen?«, fragte Sissy. Sie hatte sich offenbar damit abgefunden, dass er nicht mit pikanten Details herausrücken würde.
»Klar.« Stanley schob die Erinnerung an Dara Floods Gesicht beiseite. »Dramatisch oder subtil?«
»Na, was wohl.«
»Dramatisch also.« Er griff nach Sissys Schminkkoffer (als Köfferchen konnte man das nun wirklich nicht bezeichnen) und kramte darin herum, bis er auf einen grasgrünen Lidschatten stieß, der »Sham-Rock!« hieß und sogar für Sissys Verhältnisse dramatisch genug sein sollte.
»Du lächelst«, stellte Sissy fest, während er ihre Lider bepinselte – mit der Zungenspitze zwischen den Zähnen, wie immer, wenn er hochkonzentriert war.
»Ich weiß. Ich kann nicht anders.« Er schüttelte den Kopf, und ein Hauch von Besorgnis schlich sich in seinen Blick.
Sissy tätschelte ihm den Arm. »Nur keine Panik. Du gewöhnst dich schon noch daran.«
»An das Lächeln?«
»An das Glücklichsein«, sagte Sissy und schürzte die Lippen, damit er sie mit »Rollercoaster Red«, ihrem dramatischsten Lippenstift bemalen konnte.
53
Als Dara später darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass sie auf der Hut hätte sein sollen. In Paris war es ihr ganz kurz so vorgekommen, als wäre sie ein anderer Mensch. Ein optimistischer Mensch. Sie hatte es der Hoffnung gestattet, durch einen Spalt in der Mauer, die sie um ihr Leben herum errichtet hatte, hereinzukriechen. Das war, wie sie jetzt erkannte, ihr Fehler gewesen. Sie hatte vergessen, dass Hoffnung stets Erwartungen weckt. Und dass Erwartungen früher oder später unweigerlich in Enttäuschung münden, in Verunsicherung, und letztendlich im unvermeidbaren Verfall.
Aber das kam später.
Als Dara Flood am Freitagabend in das Haus in der Raheny Road zurückkehrte, war zunächst noch alles wie vorher. Besser sogar – was die Hoffnungen und Erwartungen nur noch weiter schürte.
Dara stellte ihre Reisetasche ab und verharrte einen Augenblick im Flur, damit sich ihre Gedanken – und ja, ihre Hoffnungen und Erwartungen – etwas setzen konnten, ehe sie sich wieder in ihr Leben einfügte.
Mrs. Flood trat in den Flur. »Du bist wieder da.«
»Ja.« Dara musterte ihre Mutter. Ihr Haar glänzte und wirkte so füllig, als wäre es mal wieder in den Genuss von Heißwicklern und ein paar Strähnchen gekommen. »Deine Haare sehen toll aus«, bemerkte Dara.
»Und deine gehören dringend gebürstet.«
»Wo ist Angel?«
»In ihrem Zimmer.«
Dara bückte sich nach ihrer Tasche. »Dann geh ich mal rauf …«
»Diese Reise war eine reine Zeitverschwendung, nicht?«
»Ich weiß. Und es tut mir leid. Aber ich musste es tun. Ich musste sie besuchen, nur für alle Fälle.«
Mrs. Flood marschierte kopfschüttelnd davon. Als sie die Küchentür öffnete, glaubte Dara, einen süßen, fruchtigen Duft wahrzunehmen. Sie folgte ihrer Mutter.
Mrs. Flood setzte sich an den Küchentisch. »Ich hab dir doch gesagt, dass es keinen Sinn hat, Dara. Er ist weg, und daran wird auch keine noch so weite Reise etwas ändern.«
Auf der Anrichte stand eine Reihe Gläser. Selbstgemachte Erdbeermarmelade, wie es aussah. Daras Lieblingsmarmelade. Sie nahm eines der Gläser zur Hand und sah zu ihrer Mutter.
»Hat Angel gemacht«, sagte Mrs. Flood, ehe Dara nachfragen konnte. Der Ansatz eines Lächelns umspielte ihre Lippen.
»Aber es ist doch gar nicht Erdbeerzeit.«
»Ich weiß. Sie hat mich gebeten, tiefgefrorene zu kaufen.«
»Tiefgefrorene Erdbeeren?«
»Na ja, sie hat sie aufgetaut, aber zuerst waren sie tiefgefroren.« Mrs. Flood war gern präzise.
»Warum?«
Mrs. Flood zuckte die Achseln. »Weil das deine Lieblingsmarmelade ist, schätze ich.«
»Ja, aber …« Dara war nicht sicher, ob ihrer Mutter aufgefallen war, wie angespannt das Verhältnis zwischen Angel und ihr in letzter Zeit gewesen war.
»Ich glaube, sie hat dich vermisst.«
»Aber warum?« Dara war völlig verwirrt.
Mrs. Flood antwortete nicht. Sie erhob sich steif und ging zum Wasserkocher. Als sie Dara passierte, blieb sie stehen. Betrachtete sie. »Du hast ganz rote Wangen. Hoffentlich hast du dir keine Erkältung eingefangen. Du weißt, das Letzte was Angel jetzt braucht ist eine Infektion.«
Dara unterdrückte den Drang, ihrer
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