Wenn ich dich gefunden habe
blieb also nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Trotzdem bereute sie ihre Entscheidung, sich ein Beispiel an Angel zu nehmen und das Leben zu leben, als könnte nichts Schlimmes passieren. Kaum hatte sie es ausprobiert, war etwas Schlimmes passiert – Angel hatte Fieber bekommen.
Das war doch wohl ein deutliches Signal dafür, dass diese Lebensweise nur etwas für ganz Hartgesottene war, und zu denen gehörte Dara definitiv nicht.
Angel war da anderer Meinung. Mehr noch – ihr war es äußerst ernst mit Daras neuer Einstellung zum Leben.
In der verbleibenden Zeit wirbelte Dara wie ein Derwisch durch die Küche und verarbeitete sämtliche Zutaten, die sie finden konnte. Als Mrs. Flood nach Hause kam und die Butter und die Milch, die sie gekauft hatte, in den Kühlschrank stellen wollte, war dort leider kein Platz mehr, denn er enthielt eine Schokoladencremetorte,
einen Topf Bœuf Stroganoff, mehrere Schüsselchen Erdbeermousse sowie eine Rolle Blätterteig und die Füllung für die Vol-au-Vents, für die die Zeit dann doch nicht mehr gereicht hatte.
57
Um Punkt halb sieben öffnete sich in der Howth Road die Haustür eines imposanten und sehr gepflegten Hauses und ein groß gewachsener, gut gebauter Mann erschien auf der Schwelle. Er verharrte einen Augenblick, Kinn und Brust selbstbewusst nach vorn gestreckt, als würde er für ein Foto posieren. Dann begab er sich zu dem Mercedes-Jeep, der in der Einfahrt parkte, wobei er mit der einen Hand sein Handy aufklappte und sich mit der anderen durch das schütter werdende Haar fuhr.
Eine Stimme wehte ihm aus dem Haus hinterher, und die Lippen des Mannes formten ein »Ich liebe dich auch«, ohne dass er sich noch einmal umgedreht hätte. Er setzte sich ins Auto und inspizierte im Rückspiegel sein Gesicht, insbesondere die Nase. Nachdem er sich ein paar Nasenhaare ausgezupft hatte, schaltete er das Radio ein, und Stanley glaubte, I am a Rock zu vernehmen, als der Jeep auf die Straße bog und in Richtung Küste davonbrauste.
Stanley folgte ihm in sicherem Abstand in seinem Ford Transit. Auf dem Sitz neben ihm lagen seine Nikon, Notizblock und Stift sowie die Kerzenständer. Er hatte es nicht mehr geschafft, sie einzupacken, weil er so lange auf dem Sofa gesessen und über Dara Flood nachgedacht hatte.
Um Punkt halb sieben eilte eine zierliche Frau die Raheny Road entlang. Ihre enge weiße Jeans ließ, wie ihr Freund
Tintin ihr versichert hatte, ihre Beine lang (oder zumindest länger als sonst) wirken. Dazu trug sie ein transparentes dunkelblaues Top, das perfekt zu ihren Augen passte, ihre schmale Taille und die sanfte Rundung ihrer Hüften erahnen ließ und zugleich ihren Hintern bedeckte, den sie persönlich zu ausladend fand.
Die Frau ahnte nicht, dass sie in diesem Augenblick unheimlich an ihren Vater, Eugene Flood, erinnerte, der vor siebenundzwanzig Jahren dieselbe Straße entlanggegangen war, um Zigaretten zu kaufen und nicht mehr zurückkehrte.
Ian Harte war ein aggressiver Fahrer, und er liebte seine Hupe. Er entlockte ihr nicht nur oft ein kurzes Tuten, sondern gern auch ein langgezogenes, verärgertes Tuuuttuuut. Selbst bei Cormac, der in seinem Audi A8 immer viel zu schnell unterwegs war und kleine Autos wie einen Nissan Micra oder einen Opel Corsa Verkehrsopfer nannte, ging das Fahren mit weniger Gefuchtel, Geschrei und Sich-aus-dem-Fenster-lehnen vonstatten. Als der Jeep gerade noch über eine Kreuzung raste, ehe die Ampel auf Rot umschaltete und hinter der nächsten Ecke verschwand, dachte Stanley schon, er hätte ihn verloren. Während er auf grünes Licht wartete, überlegte er, ob Irene eher erleichtert oder enttäuscht sein würde, wenn er ihr gestand, dass er ihren Ehemann verloren hatte.
Doch als er um die Ecke bog, sah er, dass der Jeep von einem Polizisten mit seltsam langen, dünnen Armen und einem verhältnismäßig kurzen, kräftigen Torso angehalten worden war. Es war Lorcan, der noch schnell einen Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung verteilte, um seine Monatsquote zu erfüllen, ehe er zu Cormacs Verlobungsparty
fuhr. Stanley lenkte seinen Wagen in eine Tankstelle und sank auf seinem Sitz nach unten, bis er kaum noch über das Armaturenbrett hinaussah.
Ian Harte versuchte offenbar sich rauszureden. Sein Lächeln veränderte sein ganzes Gesicht, und Stanley musste Mrs. Harte recht geben – ihr Ehemann war tatsächlich ein attraktiver Mann. Strahlend blaue Augen, ein kantiges Kinn und Zähne, so
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