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Wenn ich dich gefunden habe

Wenn ich dich gefunden habe

Titel: Wenn ich dich gefunden habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ciara Geraghty
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und ihre Mutter aus dem Haus war, wurde Dara gern mal von ihren Sorgen heimgesucht. Sie schlichen sich auf leisen Sohlen an wie ein Dieb, und ehe Dara sich’s versah, saßen sie auch schon in der Küche vor dem Ofen und wärmten sich an ihren Gedanken die Füße. Da war zunächst die Sorge um Angel. Das Fieber, die Müdigkeit … Vielleicht war es wirklich nur eine Erkältung, eine Grippe, aber es konnte durchaus auch etwas Schlimmeres sein. Was genau, das
blieb offen – da wollten selbst die Sorgen nicht ins Detail gehen. Sie ruderten zurück und konzentrierten sich stattdessen auf Anya, die vorhin angerufen hatte.
    »Lucky wurde äntführt!«
    »NEIN!«, rief Dara, um einen glaubwürdig entsetzten, ja empörten Tonfall bemüht.
    »Die Polizei sucht zwei Frauen, die Läuse habän.«
    »Warum das denn?«
    »Weil man auf däm Überwachungsvideo sieht, dass sie sich ständig kratzen am Kopf.«
    »Oh.«
    Vom Treppenabsatz ertönte ein langgezogenes, jammervolles Heulen.
    »Was war das?«
    »Der Fernseher. Ich gucke Ich bin ein Star, holt mich hier raus.«
    »Das läuft doch geradä gar nicht.«
    »Muss wohl eine Wiederholung sein.«
    »Am Montag wir redän noch einmal ausführlich darüber, ja?«
    »Ja, Anya.«
    So gesellte sich zu der Sorge um Angel eine weitere wegen der anstehenden Unterhaltung mit Anya. Dara würde ihr reinen Wein einschenken müssen, denn sie war keine besonders begabte Lügnerin. Obwohl sie sich diesbezüglich bei Stanley ganz wacker geschlagen hatte. Bei dem Gedanken daran meldete sich auch gleich die nächste Sorge zu Wort. Dara stand von der Couch auf und ging in die Küche, um sie abzuschütteln.
    Dann kam die Sorge wegen Mr. Flood, in die sich inzwischen auch Wut mischte. Und Frust. Ihre Mutter hatte recht – sie würde ihn niemals finden. Aber wenn doch,
dann würde sie ihm eigenhändig den Bauch aufschneiden und eine Niere herausreißen, ob sie nun für Angel geeignet war oder nicht. Das war das Mindeste, was er verdient hatte.
    Und dann war da noch Ian Harte. Sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte. Seit dem melancholischen Olly hatte sie mit niemandem mehr Schluss gemacht, und das hatte damals mit einem Desaster geendet.
    Damit war sie – schwupps – wieder bei ihrer Sorge wegen Stanley Flinter angelangt. Denn sie empfand etwas, wenn sie an Stanley dachte. Etwas, das freudiger Erregung gefährlich nahe kam, und die war bekanntlich eine nahe Verwandte der Erwartung. Diese Empfindung war völlig neu für sie. Sie wusste nicht, was sie damit anfangen sollte. Die Sorge jedoch wusste es genau. Sie rieb sich die Hände und stellte sich darauf ein, ein Kaffeekränzchen mit ihren Kolleginnen abzuhalten.
    Lucky tappte gemächlich herein, ließ sich in einem sonnigen Fleck auf dem Fußboden neben Dara nieder, legte seinen riesigen Schädel auf ihre kleinen Füße und schloss die Augen. Als sie sich hinunterbeugte, um ihn sanft an den Ohren zu ziehen, seufzte er zufrieden.
    Seltsamerweise war Lucky das einzige Wesen in ihrem Leben, das ihr keine Sorgen bereitete. Es war, als wäre er schon immer hier gewesen. Er hatte bereits die Nachbarskatze gejagt (die eigentlich Elektro-Eddie gehörte, aber jedem in der Siedlung täglich einen Besuch abstattete, ob man es wollte oder nicht), unter einem von Mrs. Floods Rosenbüschen einen Knochen vergraben (den er vermutlich aus Edwards Vorrat stibitzt hatte, als er sich vorhin durch das Loch in der Hecke zu Miss Pettigrews Garten gezwängt hatte), und er hatte gelernt, sein Geschäft hinter
dem Schuppen zu erledigen, statt Mrs. Floods Blumenampel zu düngen.
    Sorge bereitete Dara vor allem auch die Tatsache, dass Stanley noch nicht auf die SMS geantwortet hatte, die sie ihm geschickt hatte. Sie hatte Hi, kurze Frage: Soll ich dich noch zu der Party heute Abend begleiten? D. geschrieben, doch kaum hatte sie auf SENDEN gedrückt, war ihr ihre Nachricht viel zu aufdringlich erschienen. Zu anhänglich. Bloß nicht klammern, das predigten doch sämtliche Frauenzeitschriften  – behauptete zumindest Tintin, der weiß Gott schon genügend Frauenzeitschriften gelesen hatte.
    Also warf Dara in regelmäßigen Abständen einen besorgten Blick auf ihr Handy. Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, sich mehreren Sorgen zugleich zu widmen. Tintin bezeichnete sie deswegen als multitaskingfähig.
    Miss Pettigrew hatte sich in einer SMS nach Angel erkundigt, nachdem sie vorhin von ihrem Wachtposten am Wohnzimmerfenster aus beobachtet hatte, dass sie zu einem

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