Wenn ich dich gefunden habe
werden ihre Tiere ohnehin dalassen, ganz egal, was wir sagen«, erwiderte Dara, worauf Tintin dann nichts mehr einfiel, weil er wusste, dass es stimmte.
Sie erhob sich und streckte die Arme nach Sherlock aus. Seine Nase war warm und feucht. »Sie werden ihn doch nicht … einschläfern, oder?«, fragte der Mann mit einer wohlvertrauten Mischung aus Erleichterung und schlechtem Gewissen.
»Kann sein, dass uns nichts anderes übrig bleibt«, meldete sich Tintin zu Wort.
»Ist nicht ausgeschlossän«, fügte Anya bekümmert hinzu.
»Ich bin ziemlich sichär, dass wir können ihn vermitteln.« Dara beugte den Kopf und vergrub die Nase in Sherlocks seidigem Fell. »Er ist ein schöner Hund, und außerdem noch jung. Welpen sind sehr beliebt.« Eine Tatsache,
die ihr schier das Herz brach, wann immer der Tierarzt ein paar der ausgewachsenen Promenadenmischungen einschläferte, von denen im Jahr mehrere hundert bei ihnen landeten.
Der Mann konnte den Container gar nicht schnell genug verlassen. Er wäre beinahe rücklings die Treppe hinuntergestolpert, so eilig hatte er es, sein neues Leben ohne Sherlock zu beginnen. Dara arbeitete nun schon ziemlich lange in diesem Gewerbe, und doch war sie bei der Ankunft jedes ungewollten Hundes stets aufs Neue zutiefst erschüttert. Jeder von ihnen ging damit auf seine eigene Weise um: Dara kümmerte sich um Sherlock, indem sie einen Schokoriegel aus der Tasche zog und ihn an den Hund verfütterte. Tintin übernahm die Schreibarbeit, wobei er mit etwas mehr Druck als nötig auf der Tastatur des Laptops herumhackte. Anya rief bei Domino’s an und bestellte Pizza zum Mittagessen – eine HickHack für sich selbst, eine Tandoori Spezial für Tintin und eine klassische Margarita für Dara. Und während dieses Anrufs (»Weder Käse noch Tomaten auf der HickHack, bittä«) kam ihr eine Idee.
»Oh! Mein! Gott!«, stieß Anya plötzlich hervor und raufte sich die Haare, wie sie es sonst nur tat, wenn einer ihrer Hunde adoptiert wurde. Und dann: »Nein, nein, tut mir leid, ich habe nicht gäsprochen mit Ihnen.« Anya beherrschte die Sprache an sich einwandfrei, aber in der Aufregung unterliefen ihr zuweilen Fehler. »Ich hatte nur geradä … eine Idää, und ich … Was? Nein, ich habe nicht gesehen, dass es gibt Knoblauchbrot und Cola gratis. Klingt gut. Ja, wir nehmen. Aber jetzt muss ich aufhören, okay? … Ja? … Bye.« Sie legte auf und wirbelte zu Tintin und Dara herum, die sie bereits gespannt anstarrten.
»Ich hab’s, Dara!« Ihre Wangengrübchen zitterten,
als würde ernsthaft die Möglichkeit bestehen, dass Anya gleich anfangen würde zu lächeln.
»Was hast du? Wovon redest du?« Dara stellte Sherlock behutsam auf dem Boden ab.
»Es gäht um Mr. Flood«, verkündete Anya, zu Dara gewandt.
Diese glaubte sich verhört zu haben. »Mr. Flood?«
Anya nickte.
»Was ist mit ihm?« Dara stellte Sherlock eine Schüssel Wasser hin.
»Du könntäst ihn suchen«, sagte Anya.
»Warum sollte ich das tun?«, fragte Dara zutiefst verwirrt.
»Er könnte ein Spendär sein. Für Angel, meine ich. Er könnte Niere für sie haben.«
Dara schüttelte den Kopf. Das war absolut utopisch, aus unzähligen Gründen. »Warum sollte er Angel eine Niere spenden wollen? Vorausgesetzt, er ist als Spender überhaupt geeignet. Was wiederum voraussetzt, dass ich ihn finde. Ich meine, er ist vor einer Ewigkeit verschwunden. Ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen sollte zu suchen.«
Anya nickte mit einer Ernsthaftigkeit, die darauf schließen ließ, dass sie genau diese Antwort erwartet hatte. »Äs ist unwahrscheinlich, und möglicherweise äs klappt nicht«, stimmte sie ihr, noch immer nickend, zu. »Aber ist nicht ausgeschlossen.« Die letzten beiden Worte flüsterte sie, begleitet von einem Lächeln, ein höchst seltenes Ereignis. »Äs könnte Angel zumindest etwas neue Hoffnung geben.«
»Aber es wäre eine trügerische Hoffnung«, wandte Dara ein. Es war eine verrückte Idee. Sie wusste gar nicht, warum sie überhaupt darüber diskutierten.
»Na, und? Hauptsachä Hoffnung«, beharrte Anya
ernst, und ganz flüchtig konnte Dara ihn sehen – den Lichtschein am Ende des Tunnels, so weit entfernt wie die Galapagosinseln, aber immerhin. Anya holte zum entscheidenden Schlag aus: »Was hast du schon zu verlierän, Dara?«
Die feierliche Stimmung im Container fand ein abruptes Ende, als plötzlich aus einer Ecke die Ausdünstung eines Hunde häufchens aufstieg. Sherlock stand mit vor Stolz
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