Wenn ich dich gefunden habe
dieses Detail zu erwähnen.
»Ich habe ein Foto von ihm dabei, aber es ist schon ziemlich alt und zerknittert. Wahrscheinlich nützt es Ihnen gar nichts.« Dara hatte das Foto ganz unten in einer Schublade in Mrs. Floods Schlafzimmer gefunden. Mr. Flood hält Angel in den Armen, als wäre sie ein Paket. Ein kostbares, wertvolles Paket. Den Knitterfalten im Papier zum Trotz kann man erkennen, dass Angel schon damals dieselben Augen hatte wie heute – voller Hoffnung und Zuversicht. Mrs. Flood steht neben den beiden, die kleine braune Hand in die Armbeuge ihres Mannes geschoben.
»Er sieht aus wie Sie«, stellte Stanley fest, während er das Foto betrachtete. Dara warf noch einmal einen Blick darauf. Es stimmte. Die Ähnlichkeit war nicht zu leugnen. Sie sah aus wie ihr Vater.
»Und das ist Angel?« Stanleys Fingerspitze fuhr über die dicken Backen des Babys, die Grübchen und Schleifchen.
»Ja«, sagte Dara. »Inzwischen sieht sie so aus.« Sie zückte ihr Handy, auf dem ein Foto von Angel als Bildschirmschoner installiert war, und reichte es ihm. Es war ein gelungenes Foto, wobei es kaum Fotos gab, auf denen Angel nicht gut getroffen war. Sie war sehr fotogen, sah immer schön aus.
Das Foto stammte aus der Zeit, als George noch gelebt hatte. Es zeigte Angel im Gras kniend, hinten im Garten, während sie George wusch, der in einem Eimer mit Seifenlauge saß. Sein kastanienbraunes Fell glänzte in der Abendsonne. Angel hatte den Kopf gehoben und sah zu Dara hoch. Überrascht. Interessiert. Ihr Blick war klar. Sie war ganz sie selbst. Ganz einfach Angel. Dara wünschte sich
diese Angel zurück, so inbrünstig, wie sich ein Sechsjähriger ein Fahrrad zu Weihnachten wünscht.
»Das ist ein schönes Foto«, bemerkte Stanley und gab ihr das Handy zurück. Er hatte Daras Zettel und das Foto von Mr. Flood in den Aktenhefter gelegt. »Ich werde zunächst ein paar Recherchen im Internet anstellen, und ich habe Kontakte zur Polizei, vielleicht kann man mir da weiterhelfen.« Er deutete auf ein weiteres gerahmtes Foto, das auf seinem Schreibtisch stand. Es zeigte sechs stattliche Männer, die Stanley alle bemerkenswert ähnlich sahen, bis auf die Tatsache, dass sie alle größer waren als er. Viel größer. Sie grinsten mit stolzgeschwellter Brust in die Kamera.
»Ihre Brüder?«, fragte Dara, und Stanley nickte. »Alle?«, hakte sie unwillkürlich nach.
»Alle bis auf ihn.« Stanley deutete auf einen Mann in der Mitte. »Das ist mein Vater.«
»Und Sie wollten nicht zur Polizei gehen?« Dara bereute die Frage sogleich, denn seine Miene wirkte plötzlich leer.
»Entschuldigen Sie. Das geht mich überhaupt nichts an.«
»Nein, nein, kein Problem. Es ist nur … Nun, ich hatte immer angenommen, ich würde Polizist werden, wie sie, aber es hat sich nicht ergeben.« Es klang, als hätte er die Worte auswendig gelernt und schon sehr oft ausgesprochen.
Höchste Zeit für einen Themenwechsel. »Was wird das eigentlich kosten?«, fragte Dara und schob sich die Hände unter die Oberschenkel, damit sie nicht an ihren Fingernägeln kauen konnte. Sie hatte diese Frage gleich eingangs stellen wollen, es aber aus Angst vor der Antwort nicht getan.
»Kommt darauf an. Normalerweise verlange ich 100 Euro pro Tag. Plus Spesen.«
»Ich habe ungefähr 450 Euro«, sagte Dara. Genau genommen hatte sie 412 Euro und 37 Cent auf ihrem Sparbuch.
»Nun …« Stanley schien sich zu fragen, ob man einen Mann wie Mr. Flood in viereinhalb Tagen finden konnte, und seine ernste Miene deutete darauf hin, dass er es bezweifelte. »Sie haben erwähnt, dass Sie Hunde trainieren.«
»Nur in meiner Freizeit«, entgegnete Dara. »Abends oder am Wochenende.«
»Sie könnten mir ja mit Clouseau helfen«, schlug Stanley vor und deutete mit dem Kopf auf das andere Foto, das vor ihm stand. »Ich habe ihn kürzlich … geerbt, von einer Klientin, die, äh, leider verstorben ist, und er ist zuweilen etwas … eigensinnig.«
»Ich helfe Ihnen gern mit Ihrem Hund, aber ich werde Sie trotzdem bezahlen. Ich bestehe darauf.« Dara stellte sich Stanleys Zuhause vor, vollgestopft mit silbernen Bilderrahmen und weiß der Geier was er sonst noch als Bezahlung akzeptierte. Kein Wunder, dass in seinem Büro ein solches Durcheinander herrschte. »Abgemacht?«
Stanley nickte und lächelte beinahe wieder. »Abgemacht.«
Dara hielt ihm die Hand hin, und als er ihr die seine zögernd hinstreckte, ergriff sie sie ganz vorsichtig und hielt sie einen Augenblick fest,
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