Wenn ich dich gefunden habe
dem Handballen auf den Oberschenkel. Er trug seine engen schwarzen Jeans, in denen seine Beine ewig lang wirkten. »Die Fahrt nach Bailieborough mag auf den ersten Blick aussehen wie ein Revel mit Kaffeegeschmack, aber – und nur darauf kommt es an – sie könnte sich auch als Toffee-Revel entpuppen.«
Dara leerte ihre Flasche. »Los, komm. Auf ins Melvin’s.«
»Hm. Ich wollte heute eigentlich zu Anjelo.«
»Da gibt es doch keine Pommes mehr als Beilagen.«
»Wie wär’s dann mit dem Elephant’s Trunk?«
»Das ist zurzeit immer total leer, und das letzte Mal hat der Kellner geweint, erinnerst du dich?«
Tintin schüttelte den Kopf. »Warum sollte ein Kellner weinen?«
»Da gibt es viele Gründe.«
Tintin nickte und fuhr fort. »The Birdcage?«
»Da sind die Portionen winzig.«
»Gazebo?«
»Das ist noch zu neu, darüber wissen wir noch zu wenig.«
Tintin seufzte. »Stimmt. Sollen wir dann einfach ins Melvin’s gehen?«
Dara tat, als würde sie kurz überlegen, dann nickte sie. »Gute Idee.«
Tintin erhob sich und hielt ihr seinen Ellbogen hin, und Dara hakte sich bei ihm unter, wie sie es immer tat.
»Und, was sollen wir essen?«, überlegte Tintin auf dem Weg vom Pub zum Restaurant.
»Wir essen immer dasselbe«, erinnerte ihn Dara.
»Wer weiß, vielleicht bestelle ich meine Pizza ja zur Abwechslung mit Anchovis.«
»Du hasst Anchovis.«
»Ich habe sie noch nie probiert.«
»Du kannst weder ihren Geruch noch ihren Anblick leiden. Du sagst, sie sehen aus wie Maden.«
»Vielleicht schmecken sie ja besser, als sie aussehen.«
»Und wenn nicht? Dann kannst du wegen dieser Schnapsidee deine Pizza nicht essen. Es wäre eine totale Verschwendung. Und du hast Hunger – am Ende isst du noch meine.«
»Du weißt, etwas so Langweiliges wie eine Margarita würde ich niemals anrühren.«
»Na ja … Vielleicht bestelle ich ja auch mal etwas anderes. Die Florentiner zum Beispiel.«
Tintin klappte den Mund auf. Er wirkte nicht nur überrascht, sondern nachgerade erschüttert. Es war nämlich so: Dara Flood liebte Essen. Sie liebte es, Speisen zuzubereiten, zu kochen, zu servieren und zu verzehren. Aber sie war kein großer Fan von Restaurants. Das Risiko, enttäuscht zu werden, war einfach zu groß. Man bestellte ein
Gericht, das auf der Karte richtig lecker klang – beschrieben mit Worten wie gewürfelt oder gerieben oder beträufelt oder bestäubt. Lauter Ausdrücke, die sie liebte. Doch wenn es dann vor ihr stand, war sie – nicht immer, aber meistens – enttäuscht, weil es überhaupt nicht ihren Vorstellungen entsprach. Und natürlich kam es nie vor, dass ihre Erwartungen übertroffen wurden. Eher das Gegenteil. Und obwohl sie wusste, sie sollte es sich nicht so sehr zu Herzen nehmen, bereitete es ihr Kummer. Wenn sie also in einem Restaurant zufällig etwas entdeckte, von dem sie nicht enttäuscht war – meist irgendein Standardgericht – dann blieb sie dabei. Tintin sagte oft, ihr würde dadurch etwas entgehen. »Richtig«, stimmte Dara ihm zu. »Nämlich die Enttäuschung.«
Er starrte sie immer noch mit offenem Mund und einem Ausdruck übertriebenen Entsetzens an. »Aber die Florentiner ist mit Spiegelei!«, gab er zu bedenken. Seine Stimme war eine Oktave höher als sonst. »Und mit Spinat!«
»Ich weiß.« Dara runzelte besorgt die Stirn.
»Bedeutet das etwa, was ich glaube, dass es bedeutet?«
Tintin stieß die Tür der Pizzeria auf und schob Dara hinein.
»Was glaubst du denn, dass es bedeutet?« Sie musste fast schreien, um das Stimmengewirr zu übertönen, das täglich im Melvin’s herrschte, Rezession hin oder her. Dara führte den großen Andrang auf die Kombination aus günstigen Preisen und hervorragender Pizza zurück, ein vielversprechendes Konzept in jeder Krise.
Tintin legte ihr die Hände auf die Schultern. »Dass du dich über die Revels hermachen wirst, die dir das Leben beschert hat, und dich überraschen lässt, was drin ist?«
Dara setzte sich an ihren üblichen Tisch und deponierte
ihre Warnweste und ihren Dufflecoat auf dem Stuhl neben sich. »Na ja … Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee, wenn ich Stanley nach Bailieborough begleite«, sagte sie.
»Genau das meinte ich.« Tintin lächelte, als ihr Stammkellner Dermot auf sie zusteuerte.
»Das Übliche?«, fragte Dermot, ohne Stift und Notizblock zur Hand zu nehmen.
»Äh, nein«, sagte Tintin und genoss Dermots überraschten Blick. »Dara nimmt heute mal die Florentiner.« Dermot
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