Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)
Guatemala.«
»Und dann?«
»Mal sehen. Unser Traumziel ist Panama.«
Ausgebreitete Landkarten, Finger, die über das Papier fahren, über Hauptstädte, über Grenzen: Honduras, Nicaragua, Costa Rica, Panama.
Die Holländer beschließen, dass sie über Nicaragua fahren. Buena suerte, Jungs.
Wir verabschieden uns.
Der Abend in Oaxaca ist zauberhaft, die Menschen tanzen auf den Straßen und machen überall Musik, in den Lokalen, auf einer auf dem Hauptplatz errichteten Bühne.
Während wir gemütlich draußen sitzen, erzähle ich Andrea von meinem Freund Lorenzo, der vor Jahren nach Mexiko gezogen ist und immer wieder SMS schickt, dass wir ihn unbedingt in Tulum besuchen sollen. Ich falte noch einmal die Karte auseinander: Das würde heißen, über Guatemala zurück nach Mexiko und dort ein Stück die karibische Küste hinauf. Falls uns das zu langweilig wird, fahren wir weiter Richtung Süden nach Panama.
»Was meinst du, Andre?«
»Ja.«
»Ja zu was?«
»Nein.«
»Also fahren wir nicht nach Tulum?«
»Nein.«
»Fahren wir hin, ja oder nein?«
»Ja.«
Es ist nicht zu klären. Minutenlang schwankt er zwischen Ja und Nein hin und her.
»Sollen wir vielleicht eine Münze werfen, um zu entscheiden?«
»Ja.«
»Sehr gut, Andre, dann werfen wir eine Münze. Kopf bedeutet, wir reisen weiter nach Süden, bei Zahl fahren wir nach Tulum.«
Andrea wirft: Zahl. Tulum ist unser nächstes Ziel.
Andre, du hast der Reise einen schönen Kick gegeben: Guatemala, Belize, dann wieder Mexiko. Gleichzeitig träumen wir von einem Bus nach Panama…
Von Mexiko nach Guatemala
Der Flug nach Mexico City ist angenehm.
Um uns die Zeit bis zum Anschluss nach Guatemala City zu verkürzen, essen wir eine Kleinigkeit im Flughafen. Als wir dann zu unserem Gate gehen, verlangt Andrea nach seinem Pullover. Seltsam, es ist überhaupt nicht kalt, ein T-Shirt genügt vollauf.
Wir setzen uns hin und warten, da spuckt Andrea plötzlich in hohem Bogen alles wieder aus, wie ein Vulkan, der ausbricht ohne jede Vorwarnung. Panik. Es geht ihm schlecht, seine Augen glänzen. Ein Mädchen nähert sich und bietet ihm Wasser und einen Kaugummi an. Andere Leute weichen angeekelt zurück. Das Personal kommt zum Putzen. Ich bitte in allen Sprachen um Entschuldigung, helfe Andrea, sich auf einem Sitz auszustrecken, und merke, dass das Boarding begonnen hat. Das Gedränge macht mich wahnsinnig, Andrea dagegen erholt sich schnell und sieht nach kaum zehn Minuten besser aus als zuvor: Er lächelt, hat wache Augen und ist sogar zum Scherzen aufgelegt.
»Du Spitzbube, du, hast mich ganz schön erschreckt!« Ich bin froh, dass es vorbei ist.
Allerdings würde ich gern besser verstehen, wie diese Dinge laufen. Dass er ein bisschen gefroren hat, war natürlich ein Zeichen. Vielleicht hat er zu schnell gegessen. So ist er eben, er hält dich auf Trab, und du bist immer ein bisschen angespannt.
Im Flugzeug ruhen wir uns jeder für sich auf seinem Platz aus und warten auf Guatemala.
Beim Aussteigen geht alles glatt, fröhlich erreichen wir als Erste die Passkontrolle, die Beamten sind freundlich und zuvorkommend, sie helfen uns bereitwillig bei den einfachsten Dingen, und wir finden sofort ein Mietauto.
Guatemala City dagegen stößt uns nach wenigen Stunden ab: Mit fliegenden Fahnen flüchten wir Richtung Antigua, die alte Hauptstadt. Wie eine würdevolle alte Dame wird sie uns vorgestellt: »Sie nannten die Stadt ›la muy noble y muy leal ciudad de Santiago de los caballeros de Guatemala‹!«, lese ich Andrea aus einem Prospekt vor. »Stell dir bloß vor, was für eine lange Autonummer das gegeben hätte.«
Eine Stunde Fahrt, gehüllt in Wolken, die so tief hängen, dass man sich fühlt wie im dichten Nebel. Das Gewitter mit seinem feinen Sprühregen gleicht einer Aerosoltherapie. Bei dieser Feuchtigkeit bedauern wir, dass wir keine Kiemen mehr haben.
Antigua ist eine Stadt, die schreckliche Erdbeben erlebt hat, aber nie ganz verlassen wurde und noch immer einen Zauber ausstrahlt: Straßen aus dunklem Stein, von Palmen, Arkaden, einstöckigen Häusern, Brunnen und Waschtrögen gesäumt. Die Hotels sind restaurierte alte Paläste. Wir wählen einen Kolonialbau im Zentrum: Angestellte, Portiers und Kellner sehen aus wie Komparsen aus einem Kostümfilm. Sie geleiten uns in ein riesiges Zimmer mit Mauern und Fenstern für Giganten.
Im Dauerregen schlendern wir ein wenig unter den Arkaden umher. Andrea ist einem vor uns gehenden Paar auf den
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