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Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Titel: Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
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Aussage?
nur frage
Ich glaube, ich kenne sie nicht alle, Andrea. Hilf mir, sag mir, welche für dich die schönsten sind…
nein papa, nicht meine aufgabe
    Was für ein weiter Weg…

Miami
     
    Um sieben Uhr bin ich schon auf den Beinen. Draußen erwartet mich nicht der gewohnte Zeitungshändler, der Espresso an der Bar – hallo, wie geht’s, gut, danke, Zucker? –, die üblichen Floskeln, ein Gähnen und rein in den Tag. Alles ist still, kein Geräusch, keine Sirenen. Ich habe die ganze Nacht geträumt. Von Andrea, er schrieb. Aber nicht am Computer. Auf den Asphalt. Er hatte einen speziellen Stift gefunden und hinterließ überall, wo wir vorbeikamen, seine Botschaften. In Weiß und Rot. Er malte riesige Buchstaben, so dass jeder, der den Himmel über Amerika durchquerte und einen Blick hinunterwarf, die Wörter hätte sehen können, die Andrea zwischen die weißen Streifen schrieb, und auf allfällige Fragen von da oben hätte Andrea bereitwillig geantwortet.
    Welche Filme gefallen dir?
    »Familiengeschichten, Liebesgeschichten.«
    Wenn du den Menschen ins Gesicht schaust, was möchtest du dann tun?
    »Lachen.«
    So war das, die Welt sprach, und er antwortete. Im Traum.
    Lärm auf dem Flur, schlurfende Schritte. Vielleicht Leute, die jetzt gerade von ihrem Nachtbummel heimkommen. Ich denke an gestern, an Andreas erste Schritte auf Zehenspitzen, das Zögern eines Tänzers, der einer geheimen Melodie folgt. Oder die Anspannung eines Turmspringers, der bereit ist, sich jeden Moment ins Wasser zu stürzen, als wäre er dazu verdammt. Doch es geht ihm auch darum, seine Kräfte zu messen. Er kennt die Last der Schwerkraft und nimmt gleichzeitig Anlauf, um sie zu überwinden. Ein komplexes, labiles Gleichgewicht.
    Heute mieten wir das Motorrad, unser amerikanisches, benzinsaufendes Pferd.
    Ich warte, dass Andrea aufwacht, bin schon gespannt auf seinen Gesichtsausdruck, jetzt, da unsere Reise erst richtig losgeht.
    Er hebt den Kopf und betrachtet die Zimmerdecke, wirft mir einen Blick zu, lächelt. Ich verfolge seine Bewegungen, er streckt sich, schüttelt sich, geht ins Bad. Als er nach einer Weile nicht wiederkommt, rufe ich ihn. Er antwortet nicht, ich öffne die Tür, wahrscheinlich steht er da und starrt auf das Wasser im Klo. Doch nein, er hat die weiße Flüssigseife, die rosa Zahnpasta und das blaue Mundwasser genommen und damit dichte farbige Linien auf die Fensterscheibe gemalt. Als er mich sieht, verschmiert er alles mit dem Finger, so dass kleine bunte Lachen entstehen.
    In einem Lokal nicht weit vom Hotel nehmen wir unser erstes amerikanisches Frühstück ein. Ich bestelle Schoko-Donuts, dazu Kaffee und das übliche Mineralwasser. Andrea freut sich, beobachtet alles genau, steht kurz auf, um die Platte mit dem Gebäck geradezurücken. In einer Hand hat er seinen Zauberstab, ich habe gesehen, dass er ihn auch mit ins Bett genommen hat.
    Eine pummelige Kellnerin kommt vorbei, Andrea umarmt sie, ohne auf das Tablett voller Tassen zu achten, das sie in Händen hält. Ich halte den Atem an: Jetzt haben wir den Salat, und schon sehe ich die junge Frau am Boden strampeln, kochend heißer Kaffee überall, und wir mit einem einzigen, energischen Tritt zurückbefördert nach Italien. Doch die Kellnerin schwankt, hält professionell das Gleichgewicht, ist verwundert, erfasst aber sofort die Lage. Amüsiert hebt sie die Augenbrauen, das bremst Andrea.
    Offensichtlich sind viele hier nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. Also kann ich vielleicht ein kleines Experiment wagen. Leise stehe ich auf, entferne mich und lasse Andrea am Tisch allein. Ich finde eine Stelle, von der aus ich ihn beobachten kann, ohne selbst gesehen zu werden. Andrea bleibt, wo er ist, allerdings ist er leicht verunsichert. Er sieht sich suchend nach mir um. Sollte er irgendwie auffällig reagieren, wäre ich sofort bei ihm. Er macht ein finsteres Gesicht, aber er beherrscht sich. Immer mehr Leute kommen herein, die Musik läuft jetzt auf voller Lautstärke, und ich sehe, dass ihn das stört. Ich kehre an den Tisch zurück, und wir gehen hinaus, gefolgt von der pummeligen Kellnerin, die neugierig geworden ist auf Andrea. Schon lässt er die ersten Herzen höher schlagen. Ich habe den Eindruck, dass sich halb Amerika in ihn verlieben wird.
    Wir lassen uns durch die Straßen treiben, nehmen die Einzelheiten der Stadt auf: Schaufenster, Farben, einige gigantische Werbeplakate, hastige Fußgänger, mal rote, mal grüne Ampeln. Die Sinne werden von

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