Wenn ich einen Wunsch frei haette
sie haben will. Wir leben alle hier. Und keiner wird weggehen.
Ich verstehe die Selbstmordattentäter. Sie tun das, was sie tun, nur deshalb, weil die Israelis ihr Land besetzen. Das ist nicht schwer zu begreifen. Wir Juden haben Gewalt gegen die Briten verübt, als sie Israel kontrollierten. Wir haben Menschen getötet und Sachen in die Luft gesprengt, um für unsere Freiheit zu kämpfen. Unsere Soldaten töten und terrorisieren die Palästinenser, und alles wird immer schlimmer, nicht besser. Es ist schwer, zu seinem Feind zu sagen: »Lass uns Frieden schließen.« Es ist einfacher für sie, sich selbst zu töten und dabei ein paar Israelis mit in den Tod zu nehmen.
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Salam, 12
W enn jemand Selbstmord begeht, bedeutet das, dass er sich selbst das Leben nimmt. Selbstmord hat normalerweise mit Verzweiflung zu tun, der Betroffene sieht keinen anderen Weg, seine Probleme zu lösen, und fühlt sich außerstande, noch einen Tag länger unter den gegenwärtigen Bedingungen zu leben. Menschen, die Selbstmord begehen, haben gewöhnlich das Gefühl, ihr Leben würde nie mehr besser werden.
Selbstmordattentäter töten sich, indem sie sich Dynamit oder anderes explosives Material um den Körper binden. Dann gehen sie an einen öffentlichen Ort, zünden den Sprengstoff und sprengen sich selbst in die Luft. Und mit sich jeden, der gerade in der Nähe steht. Eine ganze Reihe von Palästinensern hat sich und viele Israelis schon auf diese Weise umgebracht.
Viele Palästinenser lehnen solche Selbstmordattentate ab. Sie glauben, dass eine dauerhafte, aussichtsreiche Veränderung nur durch gewaltfreie Mittel erreicht werden kann, und haben Organisationen gegründet, die darauf hinarbeiten, das
palästinensische
Volk durch Bildung und politisches Handeln zu stärken. Sie glauben außerdem, dass die Selbstmordattentate der israelischen Armee lediglich einen Vorwand für weitere
Unterdrückungsmaßnahmen
liefern und dem Ansehen der Palästinenser im Ausland schaden.
|125| Andere Palästinenser betrachten Selbstmordattentäter
jedoch als Märtyrer oder Helden. Ihre Fotos hängen in
palästinensischen
Städten und Lagern. Kinder sammeln Karten und Schmuckstücke mit ihren Bildern und Namen. Menschen, die als Märtyrer sterben, bekommen angeblich besondere Plätze im Paradies. Ihre Familien erhalten finanzielle Entschädigungen von ausländischen Regierungen. Nach einigen von ihnen sind Sommerferienlager benannt, und sie werden im Fernsehen und in den Zeitungen gefeiert. Bevor sie sich, zusammen mit möglichst vielen Israelis, in die Luft sprengen, nehmen sie Videobänder auf, in denen sie sich ihrer bevorstehenden Tat rühmen.
Am 29. März 2002 ging die 17-jährige Aayat Al-Akhras in ein West-Jerusalemer Schuhgeschäft und sprengte sich in die Luft. Sie tötete sich selbst, einen Wachmann und ein 17-jähriges Mädchen namens Rachel Levy und verwundete 28 Menschen.
Aayats Familie lebt im Flüchtlingslager Dheisheh gleich außerhalb von Bethlehem. Das Lager beginnt nahe der Hauptstraße am Stadtrand. Vor der Geburtskirche, dem Ort, an dem Jesus geboren wurde, steht ein riesiger Panzer. Obwohl bald Weihnachten ist, sieht man dort weder Pilger noch Touristen oder Bürger. In Bethlehem herrscht gerade Ausgangssperre.
Es gibt keine Absperrung zwischen der Stadt und dem Lager. Die Gebäude im Lager sind durch matschige Wege voneinander getrennt. Ihre Wände schmücken Poster von palästinensischen Märtyrern; auch viele Fotos von Aayat sind darunter. Das Haus ihrer Familie ist ein quadratisches Betongebäude an einer Straße mit vielen anderen, gleich aussehenden Häusern. Die israelische Regierung zerstört für gewöhnlich die Häuser von Selbstmordattentätern, wodurch deren Familien obdachlos |126| werden, aber bislang haben israelische Anwälte Aayats Haus vor diesem Schicksal bewahrt.
An jeder Wand dieses Hauses hängen Bilder von Aayat. Im Wohnzimmer gibt es ein sehr großes Bild von ihr mit einem hübsch bestickten grünweißen Rahmen.
Salam ist Aayats zwölfjährige Schwester.
Ich habe sechs Schwestern und vier Brüder. Ich gehe in die sechste Klasse. Wenn ich groß bin, möchte ich Anwältin werden.
Ich bin gerade ziemlich müde, weil ich nur ganz kurz geschlafen habe. Die Soldaten kommen normalerweise nachts, deshalb habe ich zu viel Angst, um nachts zu schlafen. Ich bleibe lieber wach, damit sie mich nicht überraschen können. Wenn sie einen im Schlaf überraschen, ist es noch schlimmer, dann geht es mir
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