Wenn ich einen Wunsch frei haette
Irgendwer hat mein Foto in einer großen amerikanischen Zeitschrift abgedruckt. Da habe ich gerade geweint, und ich mag es nicht, dass alle in Amerika mich jetzt weinen sehen können. Darum bitte kein Foto von mir machen.
Aayats Foto ist überall, an den Wänden und in den Zeitungen. Sie ist sehr berühmt. Sie ist eine Märtyrerin und ist jetzt im Paradies, wo es sehr schön sein soll. Ich möchte sie gern dort treffen. Ich müsste eine Märtyrerin werden wie sie, um zu ihr ins Paradies zu kommen. Wenn ich sie im Paradies wiedersehe, frage ich sie, warum sie mir nichts erzählt hat.
Ich glaube nicht, dass es wehtäte, wenn ich mich in die Luft sprengen würde. Ich glaube auch nicht, dass es meiner Schwester wehgetan hat. Ich bin sicher, sie war sehr mutig und hatte überhaupt keine Angst. Wahrscheinlich war sie sehr glücklich.
|130| Ich weiß nicht, ob das Mädchen, das sie getötet hat, eine Schwester in meinem Alter hatte. Ist auch egal. Ich kenne keine israelischen Jugendlichen. Warum sollte ich das auch wollen?
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Mai, 18
I n Israel gibt es viele verschiedene Ansichten über das Verhältnis zwischen Israelis und Palästinensern. Es gibt Gruppen, die die komplette Vertreibung der Palästinenser aus der Region fordern, aber es gibt auch viele Friedensinitiativen, deren Arbeit darauf abzielt, das gegenseitige Verständnis zu fördern und Spannungen abzubauen.
Women in Black, eine feministische Organisation, in der interessierte Männer sich ebenfalls engagieren können, nahm ihre Arbeit 1988 auf. Der Konzept, dass schwarz gekleidete Frauen sich an einem öffentlichen Ort versammeln, um eine Mahnwache gegen Krieg und Ungerechtigkeit abzuhalten, verbreitet sich seither auf der ganzen Welt.
Inzwischen werden Mahnwachen von Women in Black in Argentinien, Australien, Bahrain, Kanada, Kolumbien, Costa Rica, Dänemark, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Irland, Israel, Italien, Japan, Mexiko, den Niederlanden, Polen, Portugal, Serbien und Montenegro, Spanien, Schweden, der Schweiz, der Türkei, in Großbritannien und den Vereinigten Staaten abgehalten. Zudem fanden Mahnwachen der Women in Black in Kaschmir und einigen afrikanischen Ländern statt, die vom Krieg zerrissen sind.
Das Ziel der Gruppe ist es, Krieg und Gewalt auf allen Ebenen |132| zu beenden. Einige der Mahnwachen richten sich gegen regionale Kriege und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie
Massenvergewaltigungen
und Folter. Viele richten sich gegen die israelische Besetzung von Palästina.
Die Aktionen verlaufen schweigend. Plakate und Spruchbänder werden hochgehalten und selbst angesichts von Geschrei und Hohngelächter – was es in Israel häufig gibt, wenn die Passanten gegen die Demonstrationen sind – bewahren die Teilnehmer Ruhe und ein würdevolles Schweigen.
Mai nahm an einer solchen Mahnwache in der Innenstadt von Jerusalem teil.
Ich bin in der zwölften Klasse. Ich habe beschlossen, nicht zur Armee zu gehen.
Mein Vater ist Schauspieler. Meine Mutter schreibt und inszeniert Theaterstücke. Ich möchte Kunst studieren. Durch die Kunst lernen wir, die Welt und einander besser zu verstehen.
Der Krieg geht mir sehr nahe. Ich bin stark politisch engagiert und beteilige mich an Aktionen, die auf die laufenden
Ungerechtigkeiten aufmerksam machen wollen und hoffentlich zur Verbesserung der Lage beitragen. Unter anderem bin ich dabei, eine Organisation mitzugründen, die sich New Profile nennt. Dabei geht es darum, mit anderen jungen Leuten über die Armee und den Krieg ins Gespräch zu kommen.
Es ist sehr schwierig, wenn man nicht zur Armee geht. Es wird großer Druck auf jeden ausgeübt, den Wehrdienst zu absolvieren, selbst auf Mädchen. Viele Mädchen gehen |135| dann auch zur Armee. Sie machen da so ziemlich das Gleiche, was die Jungs tun.
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Es ist auch schwierig für Israelis, Palästinensern als Freunde zu begegnen. Obwohl ich gegen die Besatzung bin, ist es auch für mich schwierig, palästinensische Freunde zu haben. Ich kannte mal einige Palästinenser aus Jenin. Wir haben zusammen ein Seminar in Jerusalem besucht. Sie waren sehr nett und freundlich. Normalerweise ist es unmöglich für sie, Jenin zu verlassen, weil die Soldaten sie nicht durch die Kontrollpunkte lassen.
Ich bin heute zu dieser Mahnwache der Women in Black gekommen, um sie in ihrem Protest zu unterstützen und um mit den Leuten über New Profile zu sprechen. Wenn man etwas für falsch hält, ist es wichtig, dass man Farbe bekennt und
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