Wenn ich einen Wunsch frei haette
Zeit laut UN-Angaben fast 40 Kriege auf der Welt.
|142| Viele Leute sagen: »Kriege gab es immer, das Kämpfen um Macht und Besitz liegt in der Natur des Menschen.« Doch diese scheinbare Logik entschuldigt nicht nur Mord und Totschlag zwischen den Nationen, sondern letztlich auch den Kampf Jeder gegen Jeden im Alltag sowie
Wirtschaftskriminalität
und Gewalt in der Familie.
In der Geschichte wurden viele »Glaubenskriege« geführt. Diejenigen, die meinten, den einzig wahren Glauben zu haben, eroberten die Gebiete der »Ungläubigen« (Heiden). Auch die Christen führten im Namen Gottes
jahrhundertelang
grausame Kriege, von den mittelalterlichen Kreuzzügen ins »Heilige Land« (heute Israel / Palästina / Jordanien) bis zu den kolonialen Eroberungen von Amerika, Asien und Afrika. In allen Religionen gibt es auch heute noch Fundamentalisten, die vermeintlich Ungläubige verachten und deren Vernichtung wünschen.
Allerdings verstecken sich hinter den religiösen Motiven meist handfeste und sehr weltliche Interessen. Die Kriegsherren versuchen mit sozialen Geschenken die Massen auf ihre Seite zu bringen und sie gleichzeitig zu fanatisierten »Gotteskämpfern« zu schulen. Das ist aus unserer heutigen Perspektive oft leicht zu durchschauen und abzulehnen.
Schwieriger wird es bei den sogenannten »gerechten Kriegen« der Gegenwart, wenn eine Minderheit durch die Mehrheit brutal unterdrückt wird und um ihre Freiheit kämpft. Manchmal ist es sogar umgekehrt, dass nur eine kleine Gruppe im Land die Macht besitzt und mit Waffengewalt die Mehrheit tyrannisiert.
Früher war ich der Meinung, dass »gerechte Kriege«, die |143| die Regeln des Völkerrechts einhalten, in manchen Fällen der Verhinderung des Blutvergießens dienen könnten. Nach vielen Jahren der Arbeit in Kriegsgebieten glaube ich das heute nicht mehr. Wenn erst die Waffen sprechen, gewinnt die Kriegsmaschine durch Drohungen, Ultimaten, Angriffe und überzogene Revanche eine unkontrollierbare
Dynamik. Der angeblich gute Zweck heiligt dann die grausamsten Mittel. Manch netter Mitbürger und treusorgender Familienvater wurde schon in kurzer Zeit zum Sadisten und Mörder. Sein Hass kann sich nicht nur gegen ferne »Terroristen« wenden (Irak), sondern auch gegen den langjährigen Nachbarn (Bosnien).
Viele Kriege sind sogenannte »asymmetrische« Konflikte. Das heißt, die eine Seite ist ungleich stärker als die andere, weil sie über die moderneren Waffen verfügt, Unterstützung von außen erfährt oder aus welchen Gründen auch immer. Wenn wir im Fernsehen die Bilder der Opfer sehen, wollen wir helfen – und das ist auch der richtige Impuls. Aber gleichzeitig erwarten wir von den Opfern auch, dass sie die »besseren Menschen« sind, die selbst keine Gewalt anwenden und moralische statt wirtschaftliche Ziele verfolgen.
Doch das ist oft ein Trugschluss. Viele Opfer denken nur an Rache, und wenn sie später dazu die Gelegenheit erhalten, sind sie noch grausamer als ihre Peiniger es waren. Deshalb sollte man sich nicht vorschnell in eine »
Solidaritätsfalle« mit einer bestimmten Opfergruppe treiben lassen, sondern genau hinsehen, ob Rachegelüste oder
Aussöhnungsbestrebungen
das Handeln der Opfer bestimmen.
|144| In den Berichten der Kinder und Jugendlichen in diesem Buch darüber, wie das Kriegsgeschehen ihren Alltag beeinträchtigt, wird deutlich, dass es sich bei diesem Krieg um einen asymmetrischen Konflikt handelt. Die Lebensumstände der palästinensischen Jugendlichen sind weit mehr davon beeinträchtigt als die der israelischen. Dennoch darf man nicht übersehen, dass das nicht parteiisch oder moralisch gemeint ist, sondern reale Zustände beschreibt. Ein »Gleichgewicht des Schreckens« kann dabei nicht angestrebt werden und würde das Bild verzerren.
Die Nachrichten und Bilder über hungernde, gefangene, gequälte, verletzte und tote Menschen aus Kriegsgebieten sind kaum zu ertragen. Wenn diese einer unterdrückten Volksgruppe angehören, die um ihre Selbstbestimmung kämpft, mischen sich in unseren Gefühlen Mitleid und Empörung. Wir neigen dann zur Unterstützung ihres
Freiheitskampfes. Was die humanitäre Seite betrifft, ist das auch uneingeschränkt richtig. Was die politische Seite betrifft, muss aber vor blinder Solidarität gewarnt werden.
Das lehrte mich, dass Opfer nicht von vornherein die besseren Menschen sind, sondern sie unter veränderten Machtverhältnissen schnell zu Rächern und Tätern werden können. Das klingt
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