Wenn ich sterbe, stirbst auch du Kommissar Morry
er auch Coleman besuchte.“
„Seit wann arbeitet er mit ihm zusammen?“
„Ich bin jetzt genau ein Jahr im Geschäft. In diesem Zeitraum erhielten wir regelmäßig Aufträge..., auch von Mr. Coleman.“
„Nehmen Sie an, daß er ihn näher kannte?“
„Das bezweifle ich. Obwohl ich Mr. Coleman persönlich nicht kenne, ist mir natürlich bekannt, daß er in der Branche einen guten Namen hat. Mein Onkel hingegen war ein Feld-, Wald- und Wiesenfotograf, dessen einziges Talent auf dem Sektor der Retusche lag. Ich kann mir nicht vorstellen, daß zwischen zwei so unterschiedlich erfolgreichen Männern engere Beziehungen bestanden.“
Sie schwieg einen Moment und fragte dann: „Sind Sie nun wegen meines Onkels hier oder wegen Mr. Coleman?“
Patrick lächelte ihr freundlich in die Augen, ohne die Frage zu beantworten.
Miß Turner errötete plötzlich und sagte: „Ich muß mich jetzt um den Tee kümmern. Entschuldigen Sie mich bitte.“
Sie stellte eine Porzellankanne auf den Tisch und legte ein Päckchen Tee daneben. Patrick bemerkte, daß ihre Bewegungen die frühere Gelassenheit verloren hatten.
„Sie müßten Mr. Knight doch heute im Geschäft vertreten“, sagte er. „Was gab er als Grund für sein Wegbleiben an?“
„Ich stehe jeden Tag acht Stunden im Geschäft“, erklärte sie. „Da kümmerte es mich
herzlich wenig ob und wie lange er wegblieb. Ich bin ganz gern allein.“
„Das finde ich merkwürdig. Was antworteten Sie den Kunden, die Mr. Knight persönlich zu sprechen wünschten?“
Sie schüttete etwas heißes Wasser in die Kanne und stellte den Kessel auf die Kochplatte zurück. „Ich bat sie, eine Nachricht zu hinterlassen, oder am Abend wiederzukommen. Abends war er meistens zu Hause.“
„Meistens? Also nicht immer...“
„Sind Sie jeden Abend zu Hause?“ fragte sie wütend. „Ich erwähnte doch schon, daß mich das Privatleben meines Onkels nicht interessierte.“
„Er wohnte hier im Haus, nicht wahr?“
„Ja, in der Mansarde. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen die Wohnung.“
„Sie haben den Schlüssel?“
„Einen Zweitschlüssel. Ich müßte ihm doch zuweilen die Wohnung sauber machen.“
„Was halten Sie von Mr. Broderick?“ fragte Patrick plötzlich.
„Oh, er ist ein reizender Schurke...“, begann sie, bremste sich aber plötzlich, als sie gewahrte, daß sie prompt über eine Fangfrage gestolpert war.
Patrick tat so, als bemerke er ihre Verwirrung nicht. „Ein Schurke?“
„Himmel, Sie wissen, wie ich das meine. Er ist der typische Schürzenjäger.“
„Haben Sie ihn in dieser Eigenschaft kennengelernt?“
Miß Turners rundes, unschönes Gesicht verschloß sich. „Ich hasse Männer“, sagte sie.
Patrick nickte, als habe er etwas Ähnliches erwartet. „Kehren wir zurück zu Mr. Broderick“, schlug er vor. „Bei welcher Gelegenheit wurde er Ihnen vorgestellt?“
„Es war keine offizielle Vorstellung. Er kam hin und wieder in das Atelier, um sich Fotos oder Reproduktionen von seinen Arbeiten anfertigen zu lassen.“
„Ich habe die Rechnungen im Atelier durchblättert, aber ich stieß dabei nicht auf den Namen Broderick.“
„Wahrscheinlich zahlte er immer bar.“
„Meinen Sie? Das wäre ohne Rechnung sehr unklug gewesen... schon aus steuerlichen Gründen.“
„Mr. Broderick ist ein Künstler“, belehrte ihn Miß Turner. „Er wird für kaufmännische Gedankengänge dieser Art kaum Verständnis aufbringen.“
„Das ist gut möglich“, räumte Patrick ein. Er hob das Kinn ein wenig. „Was hielt Ihr Onkel von Mr. Broderick?“
„Mr. Sullivan“, sagte Miß Turner ausweichend, „ich weiß wirklich nicht, was die Fragen sollen. Ich kann keinen rechten Zusammenhang zwischen ihnen und dem Mord an meinem Onkel feststellen. Ich meine zwar, daß Mr. Broderick ein Schurke ist, aber ich halte es für völlig ausgeschlossen, daß er in den Fall verwickelt ist.“
„Mir scheint, Sie mögen ihn ganz gern.“
„Unsinn“, erwiderte sie ärgerlich, aber Patrick glaubte zu spüren, daß sie sich wie eine ertappte Sünderin vorkam.
Er stand auf. Er sagte: „Ich gehe jetzt...“
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als plötzlich eine gewaltige Detonation das Haus erschütterte. Der Fußboden bebte und schwankte, als liege das Haus im Zentrum eines Erdbebens. Miß Turner stürzte mit einem Angstschrei zu Boden. Eine der Fensterscheiben zersprang. Dann war es ruhig. Kurz darauf hörte man von der Straße herauf das erregte Schreien und Rufen
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