Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
hätte ihr ein Glas Wasser gebracht, aber Kirsten wollte sich unverkennbar alles von der Seele reden.
»Auf der Highschool habe ich einen Selbstverteidigungskurs gemacht. Aber ich hatte keine Gelegenheit, ihm die Finger in die Augen zu drücken oder ihm wehzutun. Ich hatte solche Angst und konnte einfach nicht glauben, dass das wirklich geschieht.«
Von draußen hörte man für einige Sekunden das Crescendo einer Polizeisirene. Kirsten holte mehrmals tief Luft.
»Ich hörte jemanden um Hilfe schreien und merkte, dass ich das bin. Dann kam ein zweiter Mann herein, den sie Liam nannten.«
Liam McKenzie. Anya hatte den starken Verdacht, dass dies nicht die erste Vergewaltigung war, die er und Janson gemeinschaftlich begingen.
»Er kam ins Zimmer, und ich lief zu ihm, damit er mich rettet. Ich packte ihn am Arm, und er fragte, was denn los sei. In dem Moment kamen noch mehr Männer. Zwei hatten dunkle Haare und tranken. Sie feierten Janson wie einen Helden. Es war, als sei ich gar nicht da. Dann packte Liam mich an der Hüfte und warf mich aufs Bett, das Gesicht in die Kissen gedrückt. Ich wollte wieder schreien, aber sie haben alle nur gelacht.« Sie hielt inne und schloss einen Moment die Augen. »Ich dachte, schlimmer könne es nicht kommen, aber dann hat er mich von hinten vergewaltigt, und das hat noch viel mehr wehgetan.«
Anya kannte die Fotos der rechtsmedizinischen Untersuchung. Die Wunde musste genäht werden, was gemeinhin nicht auf einen einvernehmlichen Geschlechtsakt schließen ließ, in welcher Form auch immer.
»Einer drückte mich runter, und ich glaube, dann haben mich die beiden Männer vergewaltigt, die ich noch nicht kannte. Ich habe meinen Kopf gedreht und einen Schwarzen in der Tür stehen sehen, und ich dachte, der wird mir helfen. Aber dann ging er wohin, wo ich ihn nicht mehr sehen konnte, und ich wurde wieder von hinten vergewaltigt.«
Ihr Blick war jetzt glasig, als ginge ihre eigene Geschichte sie nichts an. »Das ist komisch, aber um den Schmerz nicht mehr zu spüren, bin ich quasi aus mir rausgegangen und habe wie von oben auf das runtergeschaut, was mit mir geschah.«
Anya hatte das von etlichen Opfern gehört, ganz als sei es überlebensnotwendig, sich von der Erfahrung abzukoppeln.
»Ich dachte, sie würden mich umbringen, weil ich ihre Gesichter gesehen hatte. Schlimm, dass ich ihnen auch noch dankbar war, als sie es nicht taten. Nach allem, was sie mir angetan haben.«
»Wie kamen Sie von dort weg?«
»Jemand sagte, in einem anderen Zimmer wird gefeiert, da war Pete Janson schon längst weg. Als der Letzte von mir abließ, zog ich mich so schnell es ging an und rannte raus.«
Das gedämpfte Klingeln des Telefons unterbrach sie. Kirsten wühlte es unter einem Kleiderberg hervor. »Das wird mein Dad sein – er hat gesagt, er meldet sich … Hallo?« Schlagartig wich alles Blut aus ihrem Gesicht, und der Hörer fiel ihr aus der Hand.
Anya beeilte sich, sie aufzufangen, falls sie ohnmächtig wurde. »Wer war dran?«
»Ich weiß es nicht, es war ein Mann.« Sie zitterte. »Er hat gesagt, er sorgt dafür, dass ich dem Gericht nichts von einer Vergewaltigung vorlügen kann. Er sagte, ich lebe nicht so lange, dass ich aussagen kann.«
15
Es überraschte Anya nicht, dass Ethan bereits wusste, wer Kirsten war, als sie ihn nach dem Verlassen der Wohnung wiedertraf. Angesichts der Journalistenversammlung auf der Straße und unzähliger Twittermeldungen konnte der Privatdetektiv nicht lange im Dunkeln getappt haben.
Sie musste nur aufpassen, dass sie keine vertraulichen Informationen an ihn weitergab, wenn sie im Auftrag der Clubführung der Bombers gemeinsam recherchierten.
Der Sicherheitsmann am Empfang sah sie schief an und biss in ein gigantisches Sandwich.
Ethan stützte den Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Ich will ja nicht stören, aber wir haben einen Termin mit Cheree Jordan.«
Der Sicherheitsmensch kaute mit offenem Mund und glotzte auf den Ausdruck auf seinem Tisch. »Namen?«
»Ethan Rye und Dr. Anya Crichton.«
Der Mann schaute zu Anya hoch. »Wie ’n Doktor sehen Sie aber nicht aus.«
Anya fand, dass er auch nicht gerade nach einem Wachmann aussah, verkniff sich aber einen Kommentar.
»Hier unterschreiben.« Beide mussten ein Formblatt unterschreiben und erhielten einen Sicherheitsausweis. »Durch die Glastür und in den Sechsundzwanzigsten.« Rasch beanspruchte das Sandwich wieder seine ganze Aufmerksamkeit.
Die nicht mehr ganz junge
Weitere Kostenlose Bücher