Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
habe noch nie jemanden so nervös gesehen. Als Cheree uns mitteilte, dass sie gekündigt hat, konnte ich es erst nicht glauben.«
Das war allerdings etwas Neues. Kirsten hatte behauptet, von Cheree gefeuert worden zu sein. »Wann war das?«
»Cheree hat es uns heute Vormittag eröffnet. Ich dachte, Kirsten hätte ein besseres Angebot bekommen, nachdem sie den Deal fix gemacht hat. Ich schwöre Ihnen, von einer Vergewaltigung wusste ich nichts.« Als die Tür aufging, summte das Handy, und sie las die SMS . »Tut mir leid, ich muss los.« Sie hielt ihnen die Tür auf. »Wenn Sie Kirsten sehen, richten Sie ihr einen lieben Gruß von mir aus, und wenn ich irgendwie helfen kann … «
Ethan nickte.
In der Lobby legten sie die Ausweise auf den Empfangstisch. Von dem Sicherheitsmann war weit und breit nichts zu sehen, nur auf der PC -Tastatur waren die Krümel seines Mittagessens. Ganz in der Nähe stand ein Rollwagen voller Kartons.
Ethan pfiff durch die Zähne. »Da hat jemand eine Vorliebe für exklusiven Champagner. Diese Kisten sind für Cherees Büro. Entweder sie ist eine ziemliche Schnapsdrossel, oder es gibt was zu feiern.«
Sie gingen durch die Drehtür auf die Straße.
»Sie ist skrupellos«, konstatierte Anya. »Sie hat eine Angestellte prostituiert, um an Janson heranzukommen. Es ist ganz und gar unglaubwürdig, dass sie Kirsten nach Jansons Vorlieben herausgeputzt hat und dann schockiert gewesen sein will, dass er zudringlich wurde. Das ist doch die reinste Heuchelei, Kirsten ihren Ehrgeiz vorzuwerfen, sie zu feuern und die restliche Belegschaft anzulügen.«
Anyas Puls beschleunigte sich. Cheree Jordan hatte keinen Funken Mitleid mit Kirsten und zeigte keinerlei Reue für ihre eigene Verstrickung in die ganze Sache, und jetzt schmiss sie auch noch eine Party.
Ethan winkte ein Taxi heran. »Sehe ich genauso. Ich glaube, Kirsten war die Naive, und nach meinem Bauchgefühl ging sie auf diese Party wie ein Lamm zur Schlachtbank. Aber jeder Strafverteidiger wird sie in Stücke reißen. Wenn die erst einmal mit ihr durch sind, wird jeder es für arglistige Täuschung halten. Und ganz ehrlich, wir dürfen nicht davon ausgehen, dass die Geschworenen viel Sympathie für sie hegen.«
Was Anya seltsam vorkam, war Deborahs Andeutung, Kirsten hätte das Geschäft mit Janson fix gemacht. Wenn das nämlich der Anlass für die Bürofeier war, dann war Kirstens Glaubwürdigkeit gerade dramatisch gesunken.
16
Von der U-Bahn lief Anya die 34th Street entlang und betrachtete die Schaufenster, während der Abendwind ihr übers Gesicht strich. Sie wollte sich die berühmten Auslagen von Macy’s ansehen. Das Wunder der 34. Straße zählte seit jeher zu ihren Lieblingsfilmen.
Sie wurde nicht enttäuscht. In einem Fenster sah man eine Schaufensterpuppe mit einem atemberaubenden schwarzen Kleid, dem eine schlichte Silberhalskette das Glanzlicht aufsetzte. Anya hielt die Handtasche fester und bewunderte die klassische Eleganz des Kleids. Sie konnte Audrey Hepburn förmlich vor sich sehen.
Sie wünschte, sie könnte dieses Erlebnis mit jemandem teilen. Sie legte eine Hand an die kühle Scheibe und kam sich vor wie das Kind, das sie so gerne gewesen wäre – unschuldig, glücklich und geborgen in der Wärme und Sicherheit einer Familie. Wenn sie an die Weihnachten ihrer Kindheit zurückdachte, dann sah sie das leere Gedeck vor Miriams Stuhl. Die brütende Hitze setzte den Nerven ihrer Mutter, die stundenlang über Truthahn und Schinken geschwitzt hatte, schwer zu, und dann kam unweigerlich ein Anruf, und sie musste zu einem kranken Patienten fort. Anya blieb daheim und passte auf Danny auf, mit der strikten Anweisung, absolut niemandem die Haustür zu öffnen.
Sie hoffte, einmal mit Ben in das winterlich-weihnachtliche New York reisen zu können. Sie malte sich aus, wie sie über den hell erleuchteten und geschmückten Weihnachtsbaum vor dem Rockefeller Center staunten, im Central Park Schlittschuh liefen und gemeinsam auf der Klaviatur bei FAO Schwarz tanzten. Sie wünschte sich, dass er glückliche Erinnerungen an seine Kindheit zurückbehalten würde, vor allem, seit seine Eltern geschieden waren.
Ein Windstoß wehte ein weggeworfenes Stück Papier auf dem Gehsteig in Richtung Madison Square Garden. Sie brauchte nicht auf den Stadtplan zu sehen – der Lärm und der Strom der in Orange und Blau gekleideten Menschen wies den Weg.
Ethan hatte sich vor dem Stadion mit ihr verabredet. Auch wenn ihr klar war, dass sie
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