Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Ethans Gegenwart nicht zu erwähnen. »Was ist mit der Kleidung, die das Opfer in der Tatnacht trug?«
»Es handelt sich um ein Kleid, und ihr Blut ist darauf. Das Labor sitzt noch dran.«
»War sie ein Groupie?«, wollte Ethan wissen. »Ein Stammgast auf diesen Partys?«
Linda legte die Brille auf die Akte. »Willst du damit sagen, dass ein Groupie nicht Opfer einer Gruppenvergewaltigung werden kann?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte er und hob abwehrend die Hände. »Aber wenn die Jungs sie schon kannten oder sie ihnen nachgestiegen ist, dann wird es verdammt viel schwieriger, vor Gericht eine Vergewaltigung nachzuweisen. Bei all diesen Gelegenheiten sind Fotografen dabei, und wenn sie auch früher schon mal da war, dann wird ihr niemand abnehmen, dass sie auf das Hotelzimmer mitgegangen ist, ohne an Sex zu denken.«
So ungern Anya sich das eingestand, Ethan hatte recht.
Aber vor Gericht zu beweisen, dass Kirsten keinen der Footballer vor diesem Abend gekannt hatte, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein.
14
Ethan kehrte ins Hotel zurück, während Anya mit Linda Gatby zur Wohnung der Vergewaltigten fuhr. Vor dem Gebäude mussten sie sich zwischen Fotografen und Reportern durchkämpfen. Die Morgenzeitung hatte Kirsten zwar nicht namentlich genannt, doch die Journaille hatte keine Zeit vergeudet herauszufinden, wer sie war und wo sie wohnte.
»Ich werde ein paar Streifen kommen lassen, um sie fernzuhalten«, ereiferte sich Linda. »Das ist Nötigung, und wenn das nicht aufhört, werde ich sie allesamt anzeigen.«
Wenn die Zeitung Kirsten Byrne nicht mit Namen genannt hatte, so lag das an den Redaktionsstatuten, nicht am Gesetz. Ein Exklusivinterview mit dem »ungenannten Opfer« eines publicityträchtigen Verbrechens wäre ein Coup, und es gab nichts, was Blogger und Fan-Websites davon abhalten konnte, ihre Identität preiszugeben. Die Medien fühlten sich aus Tradition dazu verpflichtet, Vergewaltigungsopfer zu schützen, indem sie sie nicht namentlich nannten, aber in einer Zeit des unmittelbaren Informationszugangs befeuerte das eher die Neugier, was das Opfer wohl zu verheimlichen habe.
Sie klopften an die Tür der Wohnung im vierten Stock, und eine ältere Frau mit rosa Gummihandschuhen und einer dunkelblauen Schürze öffnete.
»Ich weiß, wer Sie sind. Aber muss das wirklich ausgerechnet jetzt sein?«
»Es tut mir leid, wenn das ein schlechter Zeitpunkt ist, aber es ist wichtig, dass wir mit Kirsten sprechen.«
Linda Gatby gab ihr die Visitenkarte und trat über die Schwelle. In der Wohnung konnte man Platzangst bekommen. Neben dem Sofa türmten sich Kartons, und aus einem offenen Koffer quollen Kleidungsstücke. Da es nur eine Zimmertür gab, die offenbar zum Bad führte, nahm Anya an, dass das Sofa als Schlafplatz diente.
Eine junge Frau saß auf einem Kissen am Fensterbrett, die angezogenen Knie unter einem Schlabbershirt. Schwarze Leggins bedeckten die Beine.
»Schon gut, Mom, ich muss das tun.«
Sie stand auf, schlurfte näher, klappte den Koffer zu und blieb auf dem winzigen Stück freiem Boden stehen. Es war nicht zu übersehen, dass die Wunden noch schmerzten.
Ein kleiner Beistelltisch diente als Essbereich. Kirsten ging in die Hocke und verstaute einen Stapel Bücher, darunter Erfolg in der Modebranche und Wege zur Karriere im Modedesign unter dem Tisch.
Sie bot den Besucherinnen das Sofa an und setzte sich zögerlich, wo die Bücher gelegen hatten. Mrs Byrne zog sich in die Kochnische zurück.
Linda griff zu ihrem Dienstblock und stellte Anya als führende Expertin für Verletzungen bei Sexualdelikten vor. »Ich möchte Sie bitten, mit ihr über diese Verletzungen zu sprechen. Bei einem Prozess kann sie als Zeugin berufen werden.«
Die junge Frau nickte.
»Haben Sie vor, die Stadt zu verlassen?«, fragte die Staatsanwältin.
»Ich hole meine Tochter heim«, mischte Kirstens Mutter sich ein. »Eine alleinstehende Frau ist hier nicht sicher. Wir haben versucht, ihr das klarzumachen, aber …«
»Mom, bitte. Ich kann für mich selbst sprechen.« Kirsten wandte sich an Linda. »Ich gehe zurück nach Louisville. Hier kann ich nicht bleiben. Haben Sie die Leute da draußen gesehen? Was wollen die von mir? Ich habe nichts Böses getan, aber ich komme mir vor wie eine Gefangene.« Sie machte eine ausholende Geste zum Fenster hin und schloss die dunklen Augen. »Sie sagten, es könne Monate dauern, bis das Verfahren eröffnet wird.«
Linda sprach mit sanfterer Stimme. »Das
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