Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Rezeptionistin im sechsundzwanzigsten Stock zeigte sich von den Besuchern ähnlich unbeeindruckt.
»Setzen Sie sich. Ich gebe Bescheid, dass Sie da sind. Wer schickt Sie noch mal?«
»Wir kommen wegen des mutmaßlichen Übergriffs auf eine Ihrer Mitarbeiterinnen.«
Das war der Frau kein Wimpernzucken wert, doch sie griff zum Hörer, gab Ms Jordan Bescheid und schnappte ihre Handtasche vom Tisch. Ungeachtet des klingelnden Telefons verschwand sie in einem Flur. Die Mittagspause war in diesem Hochhaus offenbar heilig.
Zwanzig Minuten darauf schwebte eine heftig geschminkte Cheree Jordan in einem seidenen Kaftan-Oberteil, schwarzen Leggins und klobigen Pumps im Foyer ein.
»Tut mir furchtbar leid, dass Sie warten mussten, aber ich weiß wirklich nicht, was ich zu dieser hässlichen Geschichte mit Kirsten Byrne sagen soll.«
»Ich vermute, Sie werden uns mehr helfen, als Sie sich vorstellen können«, lächelte Ethan.
Sie führte sie in ein Besprechungszimmer mit Glastisch, Konferenztafel und einem voll bestückten Kleiderständer an der Wand. An der anderen Wand hing ein Fernseher und nudelte eine DVD der neuesten Cheree-Jordan-Kollektion ab.
»Wir haben nur wenig Büroraum, daher ist dies auch unser Warenlager.« Sie schaute Anya prüfend an. »Größe acht, leichte Birnenform, hohe Taille. Aus Ihren Beinen ließe sich was machen.« Wenn sie die Arme bewegte, klimperte ein Arsenal an Armreifen. »Die Röcke trägt man dieses Jahr kürzer … und schlabbrig ist schon seit ’nem Jahrzehnt total durch.«
Anya hatte das Gefühl, dass Ethan ein Lachen unterdrückte. Sie kleidete sich gerne bequem und praktisch und war von der Grobheit der Modeschöpferin wenig angetan. Die ließ sich von ihrer missbilligenden Miene aber nicht bremsen.
»Unsere aktuelle Linie würde perfekt zu Ihnen passen. Feminine Seidenstoffe, extra für die berufstätige Frau … « Sie nahm ein schwarzes Jackett vom Hänger und drehte es um, sodass ein schwarz gesäumtes violettes Jackett daraus wurde. »Diese Wendejacketts sind unglaublich vielseitig. Absolut genial.«
Ethan unterbrach sie. »Wir untersuchen die mutmaßliche Vergewaltigung von Kirsten Byrne.«
»Schreckliche Geschichte. Ich hätte wissen müssen, dass die Kleine ehrgeiziger ist, als ihr guttut.« Sie bedeutete den beiden, Platz zu nehmen, und legte ein BlackBerry vor sich auf den Tisch.
»Wie kommen Sie darauf?«
Wieder klimperten die Handgelenke. »Kleinstadtmädchen mit großen Träumen. Deshalb habe ich sie eingestellt. Hummeln im Hintern, der Wille, etwas zu erreichen. Aber ich hätte mir im Traum nicht vorgestellt, dass sie vor absolut gar nichts zurückschreckt, um auf der Karriereleiter voranzukommen.«
Anya sah Ethan von der Seite an. »Sie glauben, dass die Vergewaltigung eine Lüge ist?«
Cheree schürzte die kirschroten Lippen, ohne dass die Stirn die Bewegung mitvollzogen hätte. Botox, vermutete Anya. »Sagen wir mal so, ich traue ihr durchaus zu, dass sie mit jemandem ins Bett steigt, wenn es sie voranbringt.«
Diese Bemerkung überraschte Anya. »Sie war dienstlich und in Ihrem Auftrag auf der Feier. Trifft das zu?«
Einen Augenblick lang war Cherees Aufmerksamkeit von einer SMS oder E-Mail gefesselt. »Ja, ich wollte ein Treffen mit Pete Janson vereinbaren und ihm eine exklusive Kleiderkollektion bei unserem Label vorschlagen. Eine einzige Stunde Fernsehwerbung genügt, um zehntausend Einheiten von praktisch allem umzusetzen, was wir auf den Markt bringen.« Sie schnippte mit den Fingern. »Die Macht der Home-Shopping-Sender wird sträflich unterschätzt …«
»Und weshalb sollte Kirsten, eine ihrer am wenigsten erfahrenen Mitarbeiterinnen, dieses geschäftliche Treffen in die Wege leiten?«, wollte Ethan wissen.
In der Tür erschien eine junge Frau mit einem Tablett mit Tassen und einem Kaffeebereiter. Cheree winkte sie herein. Sie stellte vor jedem eine Tasse ab und goss Kaffee ein.
»Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele Leute damit beschäftigt sind, Footballstars abzuschirmen? Da sind Manager, Agenten, Aufpasser, Trainer, Leibwächter und Heerscharen von Schmarotzern, die alle verhindern wollen, dass irgendwer mit ihnen redet. Wir wollten Pete Janson ein lukratives Angebot unterbreiten, und er sollte die Gelegenheit bekommen, aus erster Hand davon zu erfahren.« Sie bedeutete der Assistentin zu bleiben. Die richtete sich die randlose Brille und setzte sich.
»Kirsten war also dezidiert auf der Party, um Janson persönlich zu treffen
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