Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)

wenn ich weiter behaupte, vergewaltigt worden zu sein, würde man für meine Sünden mein Hurenkind verschleppen und umbringen. Der wurde mir am Tag, an dem die Verhandlung stattfinden sollte, unter der Tür durchgeschoben.«
    Mit einem Schlag war klar, weshalb Darla sich geweigert hatte, gegen ihre Vergewaltiger auszusagen.
    »Ich habe mir Lilly geschnappt und alles, was wir tragen konnten, und dann nichts wie weg. Die ersten Nächte waren wir in einem Asyl. Und schließlich landeten wir hier.«
    Jemand klopfte wie wild an die Wohnungstür. Darla schlurfte durch den Flur und machte auf, ohne die Sicherheitskette abzunehmen.
    »Nein, Mrs B., ich habe ihn nicht gesehen. Wissen Sie, so ein Krieg kann schrecklich lange dauern … Versprochen, wenn ich ihn sehe, gebe ich Ihnen Bescheid.«
    Sie schloss die Tür, kehrte zu ihren Gästen zurück und fuhr sich durch die Haare. »Ich habe getan, was ich tun musste, um mein Kind zu beschützen. Wenigstens lebe ich im Gegensatz zu Mrs B. in der Wirklichkeit. Ihr Sohn wird niemals heimkehren, nur kapiert sie das nicht. Es tut mir leid, aber wenn Sie McKenzie und Janson drankriegen wollen, dann kommt das in meinem Fall zu spät.«
    Ethan deutete auf die Briefe. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir uns die für unsere Ermittlungen ausleihen?«
    »Nehmen Sie, was Sie wollen. Ich habe sie nur aufgehoben, damit ich nicht vergesse, warum ich überhaupt versucht habe, mich gegen sie zu wehren.«
    Anya sammelte die Schriftstücke ein, legte sie in die Schachtel zurück und schloss den Deckel. Ethan stand auf und bedankte sich. Anya nahm die Schachtel und schrieb Name und Handynummer auf die Rückseite eines Kassenbons aus ihrem Geldbeutel.
    »Wenn Sie reden wollen oder Ihnen noch etwas einfällt, was uns weiterhelfen könnte, ich bin auf jeden Fall noch ein paar Tage hier.«
    »Wie haben Sie mich überhaupt ausfindig gemacht?«
    Ethan gab ihr seine Karte. »Es ist mein Beruf, Leute aufzuspüren und ihre Geheimnisse zu wahren. Ich möchte mich nicht aufdrängen, aber wenn Sie eine Arbeit suchen, wüsste ich da vielleicht etwas – ein netter Laden, wo man mit Respekt behandelt wird.«
    »Danke. Das bedeutet mir viel. Es ist nicht leicht, eine anständige Arbeit zu finden, wenn man im Fernsehen und allen Zeitungen als Hure hingestellt wurde.«
    Auf dem Weg zum Treppenhaus lächelte Anya Ethan an.
    »Was?«
    »Ihr eine Anstellung zu besorgen gehört eigentlich nicht zu Ihren Aufgaben, oder?«
    »So wie ich das sehe, haben die Männer, die sie vergewaltigt haben, durch den öffentlichen Wirbel obendrein noch einen Haufen Geld gemacht. So viel zu unserem Rechtssystem. Sie haben diese Frau nicht nur vergewaltigt, sie haben ihr das ganze Leben versaut. Und ich glaube kaum, dass es ein Zufall ist, wenn sie ausgerechnet am ersten Prozesstag eine Morddrohung gegen ihre Tochter erhält.«
    »Genau wie die Drohung gegen Kirsten Byrne.«
    Unwahrscheinlich, dass ein Fan dahintersteckte. Im Falle einer Verurteilung Jansons und McKenzies stand eine Menge auf dem Spiel: Die Täter, ihre Angehörigen, ihre Manager, die Bombers und die Liga insgesamt, sie alle hatten viel zu verlieren.
    Sie fragte sich, von wem die Drohung kam und wie weit derjenige letztlich gehen würde, um eine Aussage zu verhindern.

23
    Im Hotel ließ Anya sich vom Zimmerservice einen Cosmopolitan-Cocktail bringen und setzte sich damit aufs Bett. Sie las verschiedene Internetartikel zum Prozess mit McKenzie und Janson. Die Schlagzeilen waren von Werbeslogans kaum zu unterscheiden. PISTOL PETE UND DIE STRIPPERIN .
    Allein die Wortwahl verriet schon die Voreingenommenheit. Die Strategie der Medien war immer dieselbe. In der Schlagzeile tauchte das Wort »Stripperin« auf, es folgte eine Auflistung der Erfolge von Janson und McKenzie, ungenannte Zeugen redeten Darlas Charakter schlecht, und daneben prangte das unscharfe Bild einer Stripperin an der Stange. Alternativ dazu gab es auch Fotos der Männer mit ihren Kindern, während die Ehefrauen alles als Lügenmärchen diffamierten, als den Versuch, das große Geld abzugreifen und den guten Ruf ihrer Ehemänner in den Schmutz zu ziehen. Eine Zeitung schrieb, dass Janson und seine Frau eine Paartherapie machen wollten.
    Im selben Heft stand eine reißerische Reportage über Schauspielerinnen, die sich im Film auszogen. Ein Nachwuchssternchen erklärte, sie spiele Nacktszenen nur, wenn »die Integrität der Handlung es zwingend erfordert«, während sie an anderer Stelle freizügig