Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
angesteckt, im Flugzeug zum Beispiel. Etwas anderes braucht sie nicht zu erfahren.«
Anya legte den Stift nieder. »Sie fordern mich auf, Ihre Frau zu belügen?«
Er stand auf, den Autoschlüssel in der Hand. »Es ist das Beste für sie. Es würde sie vernichten, wenn sie die Wahrheit erfährt. Warum wollen Sie ihr das antun? Es steht jetzt fest, woher sie die Infektionen hat, und sie erinnert sich an nichts. Wozu sie unnötig belasten?«
Anya stieg die Hitze ins Genick, und sie bemühte sich weiterhin, ihre Wut im Zaum zu halten. »Hannah hat sich an mich gewandt, weil sie die Wahrheit erfahren will. Und darauf hat sie ein Anrecht.«
»Ich glaube doch, dass ich besser beurteilen kann, was meine Frau will. Abgesehen davon dürfen Sie ihr gar nichts sagen, womit ich nicht einverstanden bin. Alles, was ich Ihnen erzählt habe, unterliegt der Schweigepflicht. Wenn Sie auch nur ein Wort davon weitergeben, verklage ich Sie bis auf Ihren letzten Penny.«
Anya schluckte schwer. »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass es gewisse Situationen gibt – wenn eine erhöhte Gefahr besteht, dass Dritte zu Schaden kommen nämlich –, in denen ich gesetzlich verpflichtet bin, die Behörden zu informieren.«
Er stieß mit dem Finger nach ihr. »Das ist Schwachsinn! Ich kenne meine Rechte.«
Dabei übersah er nur, dass andere ebenfalls Rechte hatten.
»Bei den auf Hannah übertragenen Infektionen handelt es sich um sogenannte meldepflichtige Erkrankungen. Die Gesundheitsbehörden sind darüber in Kenntnis zu setzen. Gut möglich, dass das Untersuchungslabor die Ergebnisse von Hannahs Tests bereits gemeldet hat. Daraus ergibt sich für die behandelnden Ärzte nicht nur die Pflicht zur Weitergabe der Informationen, sondern auch zur Rückverfolgung der Ansteckungskette – ob Sie damit einverstanden sind oder nicht. Wir werden Hannah also zunächst nach den Namen der anderen Spieler befragen, die sich im Übrigen anhand der Vereinsunterlagen problemlos feststellen lassen. Dann ist es meine Pflicht, mich telefonisch mit sämtlichen Mannschaftsangehörigen in Verbindung zu setzen und sie darüber zu informieren, dass sie sich unter Umständen mit den fraglichen Erregern angesteckt haben könnten. Das schließt die Verpflichtung mit ein, die jeweiligen Lebensgefährten darüber in Kenntnis zu setzen, dass sie dem Risiko einer sexuell übertragbaren Infektion ausgesetzt waren, und sie über die möglichen Folgen aufzuklären.«
Schweiß trat auf Bretts Gesicht, diesmal an Oberlippe und Stirn.
»Wahnsinn, dann ist die Kacke aber wirklich am Dampfen. Da sind schließlich Familienväter dabei.«
Anya verließ lieber den Raum, bevor sie etwas Unprofessionelles sagte und ihm damit die Möglichkeit gab, sich vor Gericht als Opfer zu gerieren. Die Entscheidung darüber, ob die Polizei eingeschaltet würde, lag selbstverständlich allein bei Hannah.
Die saß auf dem Flur und blätterte in einer alten Zeitschrift. Anya bat sie in ein anderes Zimmer und fragte, ob sie ihr einen Kaffee bringen könne, da sie ohnehin rasch noch einmal hinausmüsse, um einige Unterlagen zu holen. In einem Büro nebenan saß Mary Singer. Sie gehörte zu den erfahrensten Vergewaltigungstherapeutinnen der Station, und Anya wünschte sich, dass sie sich fortan um Hannah kümmerte.
Anya bemühte sich, ihr den Fall so bündig wie möglich zu schildern. »Ein Ehemann hat mir eben eröffnet, dass er seine Frau in der Hochzeitsnacht gemeinsam mit mehreren Freunden betäubt und vergewaltigt hat.«
Marys Augen hinter der randlosen Brille weiteten sich. »Ich dachte eigentlich, inzwischen hätte ich wirklich schon alles gehört.« Hastig leerte sie den Rest ihres Kaffees. »Ich vermute mal, die Braut weiß nichts davon.«
»So ist es«, bestätigte Anya, »und du musst mir helfen, es ihr nahezubringen und dafür zu sorgen, dass der Mann keinen Aufstand macht.«
Anya brühte Hannah eine Tasse Kaffee auf und brachte ihn ihr, während Mary Brett Dengate holen ging.
3
Vor dem Gericht stürmten Fotografen und Reporter auf Anya und Hannah ein. Vergeblich bemühte Dakota sich, ihre Schwester zu schützen.
»Es soll einen Vergleich gegeben haben. Wie viel haben Sie kassiert?«
»Haben Ihr Gatte und die anderen Männer die Vergewaltigung zugegeben?«
»Warum haben Sie sich auf einen Vergleich eingelassen? Hatten Sie Angst zu verlieren?«
»Wollen Sie uns nicht sagen, wieso Sie auf Schadensersatz geklagt haben? Die Menschen haben ein Recht darauf, das zu
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