Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)

erklärte die Frau, dass sie keinen Sex haben wolle oder sich verletzt fühle. Im Gegenteil, während des Geschlechtsverkehrs mit mir stöhnte sie lustvoll. Anschließend betrat Liam McKenzie das Zimmer, gefolgt von Lance Alldridge, Vince Dorafino und Clark Garcia.
    Kirsten lief auf Liam McKenzie zu und fiel ihm um den Hals. Sie war nackt. Sie führte Liam zum Bett, und sie ergingen sich in sexuellen Handlungen. Soweit ich weiß, hat sie anschließend auch die übrigen Männer im Zimmer zum Sex mit ihr aufgefordert.
    Was dann geschah, entzieht sich meiner Kenntnis, da ich duschen ging, um nach Hause zu fahren. Als ich aus dem Bad kam, war Kirsten weg. Ich fuhr zu meiner Familie.
    Von ihrem Vorwurf erfuhr ich erst, als die Polizei mich aufforderte, aufs Revier zu kommen. Erst da hörte ich, dass Kirsten Byrne behauptete, von uns vergewaltigt worden zu sein. Dies ist, wie meine Mannschaftskameraden bestätigen werden, ganz und gar unwahr.
    Ich habe das Geschehen nach bestem Wissen und Gewissen exakt so geschildert, wie es sich zugetragen hat. Dies ist die wahrheitsgemäße Schilderung der Ereignisse der Nacht vom 12. August dieses Jahres.
    Wahrheit ist subjektiv, dachte Anya, aber zu beweisen, dass die Protokolle erstunken und erlogen waren, war eine völlig andere sportliche Herausforderung. Da es mittlerweile nicht mehr möglich war, Janson ins Kreuzverhör zu nehmen, war seine Aussage unanfechtbar.
    Selbst als Toter hatte er die Macht, Kirsten Byrne zu verletzen.

30
    Anya betrat die Räume des Gerichtsmediziners auf der First Avenue. Wie bei so vielen staatlichen Einrichtungen war die Fassade jahrzehntealt und ausgesprochen renovierungsbedürftig. Innen war es schlimmer. Leichenhalle, Obduktionsräume, die Labore für Toxikologie und Histologie sowie Röntgen- und Fotolabore drängten sich auf wenigen Stockwerken.
    Der Glamour, die großzügigen Räume und die Hightech-Spielereien verschiedener Fernsehserien könnten weiter von der Realität nicht entfernt sein.
    Dr. Gail Lee erwartete Anya. Ethan hatte anderes zu tun, und sie war froh um die kleine Atempause. Diese Reise hatte ihr erst deutlich gemacht, wie viel Zeit sie gewöhnlich allein verbrachte. Eigenartigerweise war Ethan aber wesentlich weniger aufdringlich als die meisten Menschen, denen sie begegnete, und sie fühlte sich in seiner Nähe sogar wohl.
    Dr. Lee goss gerade einen an den Blattspitzen braunen Farn auf dem Aktenschränkchen ihres Büros. Als Anya klopfte, wischte sie Wasser von einer Akte neben der Pflanze. Dr. Lee zog die runde rote Brille ein Stück herab und lächelte herzlich.
    »Anya Crichton, wie lange ist das her?«
    »Seit dem Symposium sind vier, vielleicht fünf Jahre vergangen. Sie referierten über akuten Herztod, wenn ich es richtig in Erinnerung habe.«
    Dr. Lee lächelte. »Wir hatten eine faszinierende Diskussion über innerfamiliäre Kardiomyopathie.«
    Die erfahrene Amtsärztin hatte unzählige Artikel über den plötzlichen Herztod und Herzrhythmusstörungen verfasst.
    Sie wischte die Akte trocken. »Willkommen in meinem Revier.«
    Ihr schwarzes Haar wies den einen oder anderen grauen Ausreißer auf. Statt hüftlang wie früher trug sie es nun als kurzen Bubikopf mit geradem Pony. Die Frisur erinnerte Anya an die Edna aus dem Film Die Unglaublichen .
    »Bitte, setzen Sie sich.«
    Das Büro ließ für Anya nur den einen Schluss zu: Gail war eine Sammlerin. Es gab keine Stelle, auf der sich nicht Akten, konservierte Proben hinter Glas, Journale oder Dokumente getürmt hätten. Direkt neben der Klimaanlage, die ungemütlich kalte Luft in den Raum blies, kämpfte der Farn vermutlich auf verlorenem Posten. Das einzige technische Gerät war der Computer in der Ecke.
    »Gern. Ich untersuche den Wahrheitsgehalt eines Vergewaltigungsvorwurfs gegen Pete Janson und mehrere seiner Mannschaftskollegen. Daher war ich zugegen, als Jansons Leiche gefunden wurde.«
    Gail wühlte sich durch einen Stapel, bis sie den Polizeibericht zutage gefördert hatte.
    »Ich pflichte bei, dass der Todeszeitpunkt nicht mehr als eine Stunde vor der Entdeckung gelegen haben kann. An seinen Beinen setzte die Bildung von Totenflecken eben ein, was darauf hindeutet, dass er in dieser halb aufrechten Position starb. Es wird natürlich etliche Wochen dauern, bis der toxikologische Befund da ist, vielleicht länger, wenn ich mir unseren Rückstau ansehe.«
    Das käme Jansons Angehörigen und der Clubführung der Bombers sicher gelegen. Bis dahin wären die