Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
auf die Klingel zum Postraum, und ein älterer Mann öffnete den oberen Flügel einer horizontal geteilten Tür. Er trug eine braune Hose mit kurzärmeligem Hemd und sah aus, als habe es ihn all seine Kraft gekostet, zur Tür zu kommen.
Diesmal übernahm sie das Reden. »Ein guter Freund von mir sagt, er hätte neulich von hier ein Päckchen an meine Schwester geschickt, aber nun hat sie mich angerufen, weil es immer noch nicht angekommen ist. Ob Sie wohl so freundlich wären, in Ihren Unterlagen nachzusehen, ob es wirklich aufgegeben wurde?«
Der brave Mann griff zu einem Faltordner aus Pappe, der aussah wie ein Relikt aus den Sechzigern. Die Papptrennblätter waren angegilbt, alt und abgegriffen.
»Hat er gesagt, an welchem Tag es rausgehen sollte?«
»Freitag, den 13., in der Früh, glaube ich.« Das war die erste Postabholung nach der Vergewaltigung. »Der Name ist McKenzie.«
Er brummte, schlug den Ordner zu und holte einen anderen, in noch üblerem Zustand, unter dem Tisch hervor. Er blätterte die Fächer durch und entdeckte schließlich einen rosa Beleg.
»Wo ist Ihr Freund denn daheim?«
Anya schaute Ethan an, der ihr den Gefallen tat und McKenzies Adresse nannte. Wieder brummte der Postmann. »Nein. Da ging nichts raus.«
»Vielleicht erinnern Sie sich zufällig«, hakte der Detective nach. »Es war für Liam McKenzie bestimmt, wissen Sie, von den New Jersey Bombers. Er schwört, er hat es nach Hause schicken lassen – vor ein paar Tagen – an meine Schwester.«
Der alte Mann rieb sich das Kinn und blickte zur Seite. »Jetzt, wo Sie’s sagen, erinnere ich mich wirklich dunkel an irgendwas.«
Ethan zog einen Zwanzigdollarschein aus der Tasche.
Der Postmann sah sich um, nahm ihn und ließ ihn in der Hosentasche verschwinden.
»Wie ich am Morgen drauf zur Arbeit kam, da standen diese Plastiksäcke hinter der Tür, dazu ein Umschlag mit so viel Knete, dass es fürs Paketporto reichte und noch ordentlich was übrig blieb.« Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase. »Ich hab die Säcke in Kartons gepackt und weggeschickt.«
»Und Sie sind sicher, dass sie abgeholt wurden?«
»Allerdings. Hab sie selbst losgeschickt.«
Ethan drehte das rosa Blatt zu sich und schaute nach dem Gewicht: viereinhalb Pfund. Er notierte sich die Adresse.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe. Ich werde Liam Bescheid geben. Er hat am Abend davor wohl heftig einen draufgemacht, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Der alte Mann kicherte in sich hinein. »Das war bei mir nicht anders.«
Hinter Ethan schloss sich der Türflügel.
Keine halbe Stunde danach saßen sie mit je einem Caffè Latte und Kopien der fünf Polizeiprotokolle zu dem Vorfall am Donnerstag, den 12. August, die sie sich zuvor bereits besorgt hatten, bei Starbucks. Was beiden sofort auffiel, war die Ähnlichkeit im Satzbau, bis hin zu gleichlautenden Worten und Ausdrücken. Entweder verfügten alle Spieler über ein phänomenales Gedächtnis, oder sie hatten die Ereignisse mit Kirsten auf dem Zimmer wie zu einer Nacherzählung in der Grundschule zusammengestellt.
Das stank natürlich geradezu nach vorheriger Absprache, aber ein Strafverteidiger konnte es leicht so hinstellen, dass da fünf Zeugen dieselbe präzise Wahrnehmung hatten.
Pete Janson schilderte, wie eine Frau, die sich als Kirsten vorstellte, in der Bar bei ein paar gemeinsamen Drinks mit ihm geflirtet habe. Danach habe er sie auf sein Hotelzimmer eingeladen, um mit ein paar Freunden weiterzufeiern. Sie habe mit größtem Eifer zugesagt, und er habe auf ihr Betreiben hin sogar das Album eines kleinen Jungen signiert, das Kind in der Hotellobby persönlich begrüßt und Liam McKenzie aufgefordert, das Album ebenfalls zu signieren, ehe er es dem Jungen später zurückgegeben habe, nachdem Kirsten es liegen ließ.
Ich erinnere mich, dass sie erzählte, für eine Modefirma tätig zu sein, aber in erster Linie war sie interessiert daran, mit mir ins Bett zu gehen. Ich bin ein Christ und ein Familienmensch, aber ich gebe zu, dass auch ich menschliche Schwächen habe. Ich bemühe mich jeden Tag, Jesus ein Stück näher zu kommen. An diesem Abend in meinem Hotelzimmer war die Versuchung übermächtig, und ich hatte, auf ihr Betreiben hin, Geschlechtsverkehr mit der Frau, die meines Wissens nach Kirsten Byrne ist. Wir hatten beide zuvor in der Bar Alkohol konsumiert, was viele Menschen bestätigen können. Ich habe kein Kondom benutzt, und sie hat mich nicht darum gebeten. Zu keinem Zeitpunkt
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