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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Schumacher
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auf sechsspurigen Autobahnen, die zufällig auch das Hauptverbreitungsgebiet holländischer Wohnwagen sind. Holländische
Wohnwagen meiden aus noch nicht vollständig geklärten Gründen die rechte Spur und halten sich lieber in der Mitte einer solchen Autobahn auf. Harald vermutet einen Zusammenhang mit der Sonneneinstrahlung, ist sich jedoch nicht sicher. Auf jeden Fall führt das Zusammenkommen dieser beiden Typen zu kilometerlangen Kolonnen, denn auf Steigungsabschnitten und dazu noch auf der als sehr gefährlich eingeschätzten linken Spur ist auch der Angsthase I nicht besonders mutig.
     
    Übertroffen wird er jedoch vom Angsthasen zweiter Ordnung. Dieser Geselle fährt unabhängig vom vorausfahrenden Verkehr immer (wirklich immer!) rechts, was ihn zu einer beliebten Nachhut von Gülletransportern,Traktoren und holländischen Wohnwagen macht. Dafür taucht er gerne in »optimaler« Höhe auf. Die »Optimalhöhe« ist eine Stelle kurz vor der von Harald angesteuerten Ausfahrt und dem blasenbedingt herbeigesehnten Autobahnparkplatz. Genau an dieser Stelle wird es bereits kritisch mit dem Überholen, andererseits sind es von hier noch viele hundert Meter, die man nun hinter dem Angsthasen herschleichen müsste. Und keine Frage: Harald überholt, was bei ihm dann regelmäßig schweißtreibende Schrecksekunden auslöst, verbunden mit der bangen Frage, wie schwerwiegend das Rammen eines Ausfahrtschildes ist und ob sein Wagen eigentlich Seitenairbags hat. Fährt der Angsthase II gerade nicht an solchen Stellen vorbei, provoziert er stattdessen skurrile Überholmanöver (Gülletransporter überholt Trecker, Trecker überholt holländischen Wohnwagen, Sattelschlepper überholt Gülletransporter...).

    Für den Angsthasen dritter Ordnung schließlich ist bereits das Auffahren auf die Autobahn ein echter Thrill. Denn was passiert, so fragt er sich besorgt, wenn man es bis zum Ende des Beschleunigungsstreifens nicht schafft, sich in den fließenden Verkehr der rechten Spur einzufädeln? Nach seiner festen Überzeugung werden Verkehrsteilnehmer, die am Ende dieser Spur nicht »drin« sind und jetzt ein Stück Standstreifen fahren müssten, von einer allmächtigen Verkehrsüberwachung sofort eliminiert – oder Schlimmeres. In keinem Fall kann es der Angsthase III daher riskieren, auch nur einen Nanometer über die Endlinie zu fahren und dort am Ende gar die Standspur zu benutzen, bis er es mit seinen 50 oder maximal 60 Stundenkilometern endlich geschafft hat, sich hinter dem nächsten Gülletransporter einzuordnen. Da er zudem vermutet, dass die ominöse Verkehrsüberwachung bereits Hunderte Meter vor dem tatsächlichen Ende der Linie zuschlägt, hat er sich zwei entgegengesetzte Strategien zurechtgelegt. Manchmal fährt er bereits am Anfang des Beschleunigungsstreifens mit 20 bis 30 Stundenkilometern ruckartig auf den rechten Fahrstreifen (für seinen Blinker hat dieser Angsthasentypus dann wirklich keinen Kopf). Dies führt zwangsläufig dazu, dass sich die nachfolgenden Gülletransporter oder aber auch an dieser Stelle gerne eingreifende Blinkerlinkssetzer ebenfalls ruckartig weiter nach links bewegen. Die Blinkerlinkssetzer machen ohnehin gerne »rechts frei«, das haben sie ebenfalls in ihrer 50er-Jahre-Fahrschule gelernt. Dafür fahren sie nun links mit 80, das ist die Fahrspur, auf der sich in diesem Moment meist Harald mit etwa 180 Stundenkilometern nähert.
    Die gegengesetzte Strategie wird immer dann eingesetzt,
wenn sich Harald nicht auf der Autobahn befindet, sondern vielmehr auf diese gerade auffahren will. Vor ihm fährt der zu diesem Zeitpunkt noch verdeckt operierende Angsthase III, der zunächst beherzt Gas gibt, den dann jedoch auf der Mitte des Beschleunigungsstreifens aller Mut verlässt. Nun bremst er überraschend und bleibt einfach stehen. Das ist hässlich, weil der Auffahrende meist am Unfall schuld ist.
     
    Aus einem ganz anderen Holz ist der Präzisionstachometerbenutzer geschnitzt. Er fährt durchaus mal schnell (wenn’s passt), hält sich jedoch, sobald in der weiten Ferne auch nur die Silhouette eines Geschwindigkeitsbeschränkungsschildes vermutet werden kann, sklavisch an die zu diesem Zeitpunkt noch geschätzte, später jedoch mit Gewissheit erspähte Höchstgeschwindigkeit. Natürlich ist das nicht ehrenrührig. Die meisten Menschen halten sich mehr oder weniger an Vorschriften. Der Präzisionstachometerbenutzer jedoch hat früher einmal beim Eichamt gearbeitet oder ist von Beruf

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