Wenn nicht jetzt, wann dann?
dann hat er mir in den Mantel geholfen, mein Gott, ich habe vor Aufregung die Ärmel gar nicht gefunden. Es wäre schneller gegangen, wenn ich ihn selbst angezogen hätte! Und ein Handkuss. Ein Handkuss!«
Frau Schneider kam in den Laden und lief schnurstracks zu ihnen hin.
»Habe ich etwas verpasst?«, rief sie und griff schon hinter ihr linkes Ohr, um ihr Hörgerät lauter zu stellen. »Ich habe ja abends noch lange am Fenster gestanden, um zu sehen, wie Sie zurückkommen. Aber dann wurde es doch kühl. Und dann habe ich es wohl verpasst.«
»Ja«, seufzte Waltraud. »Den Handkuss haben Sie dann wohl wirklich verpasst.«
»Nein!«
Frau Schneider riss die Augen weit auf, und ihre grauen Löckchen wippten vehement auf und ab.
»Ein Handkuss! Frau Hummel! Sie sind ja schlimmer als ein Backfisch. Da müssen wir jetzt aber mal ein bisschen auf Sie aufpassen, bis das Fräulein Baumgarten wieder aus dem Krankenhaus zurück ist!«
»Das müssen wir«, bestätigte Waltraud und grinste Annemie hinterher, als sie auf dem Weg zu neuen Taten beschwingt den Laden verließ.
11
N ina fühlte sich gerädert, als sie am Morgen aufwachte. Am liebsten wäre sie im Bett liegen geblieben, aber als sie auf die Uhr schaute, erschrak sie. Sie hatte total verschlafen, eigentlich war sie sonst um diese Zeit schon im Büro. Anscheinend hatte sie gestern Abend vergessen, den Wecker zu stellen. Es war ein seltsamer Abend mit Fabian gewesen, sie wusste gar nicht, warum sie sich so aufgeregt hatte. Er hatte ja recht. Sie konnten wirklich nicht einfach für ein paar Monate verschwinden. Was hatte sie sich da bloß gedacht? Sie würde ihn nachher gleich anrufen, um sich mit ihm im Reisebüro zu verabreden, und dann könnten sie ihre Reise gemeinsam planen. So, wie er es sich vorstellte. Zwei Wochen, oder drei. Sie würden zusammen ein schönes Ziel finden und Zeit für sich haben. Das war auch mal nötig. Der Betrieb, ihr Vater, das Haus, der anstehende Umbau, die Hochzeitsplanung, es war ständig etwas los. Kein Wunder, dass sie da Fluchtgedanken bekam. Nein, sie würden eine schöne Hochzeitsreise machen, und wenn sie wiederkämen, dann würden sie zusammen mit ihrem Vater die zukünftige Wohnsituation besprechen, und wenn der Nestbau einmal geregelt sein würde, dann könnte man sich um die Besiedelung des Nestes kümmern. Bei dieser Vorstellung huschte ein Lächeln über Ninas Gesicht, und sie sammelte die Papiere ein, auf denen sie gestern die Sitzordnung festgehalten hatte. Sie war richtig stolz auf ihr Werk. Nicht nur hatte sie darauf geachtet, dass an jedem Tisch genug Gäste saßen, die sich bereits kannten, sie hatte dabei auch stets Gäste daruntergemischt, die sich noch nicht kannten, von denen sie aber dachte, sie könnten sich gut miteinander amüsieren. Es war ihr sogar gelungen, die zwei Tische für Fabians Familie mit einigen anderen Gästen zu besetzen, die wahrscheinlich ganz gut zu den Schenks passten. Nina hatte bis tief in die Nacht daran gesessen und mehrere Anläufe nehmen müssen, bis sie alle Geladenen auf die Tische verteilt hatte.
Sie sammelte die Blätter ein und beschloss, sie eben bei Hochzeitsfieber vorbeizubringen. Dann könnte Frau Hummel vielleicht mit Frau Baumgarten vorab klären, ob das eine passable Ordnung war oder ob sie gegen irgendwelche Gepflogenheiten verstieß, die ihr selbst nicht geläufig waren. Dazu hatte sie schließlich eine Hochzeitsplanerin.
Frau Hummel strahlte sie an, und Nina fiel auf, dass ihre Haare anders aussahen.
»Sie waren beim Friseur«, stellte sie freundschaftlich fest. »Schön geworden!«
Nachdem sie sich kurz über ihre jeweiligen Essen am Abend zuvor unterhalten hatten, legte Nina die Mappe mit der Sitzordnung auf den Tisch.
»Da wir uns bereits für das Weingut entschieden haben und somit Saal und Tischgröße kennen, habe ich mir gestern Nacht ein paar Gedanken um die Platzierung der Gäste gemacht. Wenn Sie das irgendwo ablegen wollen? Man wird sicher mit Frau Baumgarten und auch mit meinem Vater noch einmal alles durchgehen, aber ich dachte, ein Anfang wäre damit gemacht.«
»Wunderbar.«
Frau Hummel warf einen Blick auf Ninas Zeichnungen, stutzte ein wenig und blätterte dann in einem von Liz’ Ordnern, der die Tischgröße und die Anzahl der Tische des Weinguts illustrierte.
»Oh«, sagte Frau Hummel, und Nina schaute irritiert auf.
»Ist irgendwas?«
»Oh, liebes Fräulein Winter …«
»Frau Winter«, korrigierte Nina automatisch.
»Frau Winter«,
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