Wenn nicht jetzt, wann dann?
Hochzeitsfieber erkranken. Das wusste sie. Doch sie würde andere, die von diesem Fieberwahn befallen waren, mit dem ihr eigenen Perfektionsanspruch aufs Beste durch diese Krankheit hindurch begleiten.
Als sie den Laden gefunden hatte, war sie begeistert: Genau der hatte es sein müssen. Direkt an der Ecke eines hübschen Jugendstilhauses führten drei Treppenstufen zu einer Tür, die links und rechts von jeweils einem raumhohen Fenster flankiert war. Zunächst wollte Liz den Laden ganz sachlich halten und die gesamte Romantik auf Abruf in Schubladen und ordentlich sortierten Regalen verstauen. Aber Liz war nicht wirklich sachlich, und sie war noch weniger ordentlich. Sie sammelte alles, was sie zu Ideen inspirieren könnte, sie hatte von allem eine Probe und ein Muster und ein Bild, Brautmodenläden liehen ihr Kleider, Menükarten türmten sich unter Fotos von Hochzeitstafeln und Brautsträußen, und bald schon war Hochzeitsfieber der Name, den Brautleute in den Mund nahmen, wenn sie mehr Geld hatten als eigene Ideen. Ausgerechnet Liz, die Hochzeiten und Liebe und dem ganzen Für-immer-und-ewig-Kram mit ehernem Zynismus gegenüberstand, war plötzlich die Galionsfigur der gelungenen Hochzeit.
Und weil Liz die süße Sehnsucht nach ewiger Zweisamkeit nur zu gut kannte und ihr niemals, nie niemals nie wieder erliegen wollte, kaufte sie sich für jede veranstaltete Hochzeit ein Paar Schuhe. Zum Weglaufen. Sollte jemals wieder ein interessanter Mann ihren Weg kreuzen und ihr etwas von Liebe erzählen: Der gesammelte Inhalt ihres geräumigen Schuhregals würde sie an Flucht gemahnen. So fühlte sie sich sicher, schließlich erschien man niemals barfuß zum Rendezvous.
Liz warf ihre Tasche auf den Stuhl neben der Tür, packte ihr Schokocroissant aus und ging zielstrebig zum Anrufbeantworter, dessen rotes Lämpchen sie schon fröhlich anblinkte. Sie liebte es, wenn dieses Lämpchen blinkte. Es hieß, dass es etwas für sie zu tun gab, dass man sie brauchte und dass der Laden lief. Während sie die Nachrichten abhörte, biss sie in ihr Croissant und machte sich Notizen. Die erste Nachricht war von der Metzgertochter, die bereits sehr bald heiraten wollte und sich Sorgen um das Hochzeitsmenü machte, denn ihr Zukünftiger war Vegetarier und die Eltern sicher beleidigt, wenn die ausladenden Bratenplatten unberührt an ihm vorbeizogen. Die nächste Stimme gehörte einem Bräutigam, der fragte, ob sie ihm Walzernachhilfe geben könne, der Gedanke an den Hochzeitswalzer verursache ihm Bauchschmerzen, und eine etwas hysterische Anruferin bat um Rückruf, sehr dringenden Rückruf. Liz vermutete, dass die schrille Stimme zu der Mutter einer jungen Frau gehörte, die in ganz kleinem Rahmen heiraten wollte, winzige Kapelle, kaum fünfzehn Gäste unter der großen Kastanie in ihrem eigenen Garten, während die Frau Mama gleich ein Schlösschen mieten wollte, um vor all ihren weitläufigen und noch weitläufigeren Bekannten mit dem Glück ihrer Tochter anzugeben. Wenn Liz sich recht erinnerte, dann fand diese Hochzeit bereits in weniger als zwei Wochen statt, die Mutter gehörte anscheinend zu dem Typ, der nie aufgab. Arme Tochter, dachte Liz seufzend und machte sich eine Notiz, dass sie die Tochter nachher dringend anrufen musste. Noch dringender als die Mutter, denn: Wessen Hochzeit war es letztendlich? Sie horchte auf, als sie eine sonore Männerstimme sprechen hörte, die sehr höflich um Rückruf bat, um einen Termin zum Kennenlernen zu vereinbaren.
»Sie müssen verzeihen«, sagte die angenehme Stimme, die vor allem im Vergleich zu den anderen Anrufern auf dem Band in geradezu erhabener Gelassenheit ruhte, »aber ich möchte mir gerne ein persönliches Bild von Ihnen machen, bevor ich Ihnen die Ausrichtung der Hochzeitsfeierlichkeiten für meine Tochter anvertraue.«
Als er seinen Namen nannte, verschluckte sich Liz fast am letzten Bissen ihres Croissants. Winter. Das war doch nicht etwa der Winter. Erster Juwelier am Platz. Traditionsbetrieb. Alteingesessene Familie. Eine Tochter. Junges Ding. Ob da überhaupt Liebe mit im Spiel war? Sie hatte vor einiger Zeit in der Lokalzeitung über die Verlobung gelesen. Winter! Das war der Geldadel! Liz war schon so manches Mal am Schaufenster des Ladens vorbeigebummelt. Die Ringe im Fenster kosteten schnell mal mehr als ein Kleinwagen, und für einige der Ketten könnte man sogar eine Wohnung erwerben. Vielleicht nur eine kleine Wohnung, aber immerhin. Wenn Liz dort etwas kaufen
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