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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Ruppert
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konnte. Es kam ihm jedenfalls vor wie eine Abmachung. Er nahm einen gelben Würfel und betrachtete ihn.
    »Und jetzt? Beiße ich vornehm ein Stückchen ab, oder stecke ich ihn ganz in den Mund?«
    »Also, ich beiße meistens die Hälfte ab. Aber es ganz in den Mund zu stecken ist auch nicht schlecht. Das ist dann eine richtiggehende Kuchenexplosion. Aber eine gute. Machen Sie ruhig.«
    Als er den Würfel noch einen Moment zögernd betrachtete und dachte, dass man davon bestimmt auch Zahnweh bekommen könnte, nahm sie sich ebenfalls einen rosa Würfel heraus und sah ihn herausfordernd an.
    »Ich mach mit. Los, auf drei. Eins, zwei drei.«
    Sie schauten sich gegenseitig beim Kauen zu, und er musste tatsächlich lachen, dass er mit vollem Mund kauend am Bett einer Patientin saß.
    »Die Dinger schmecken«, sagte er, als er es geschafft hatte, alles hinunterzuschlucken.
    »Die Dinger heißen Petit Fours. Kleine Öfen. Wärmen die Seele, oder? Also bei mir tun sie das. Nun erklären Sie mir mal genau, was Sie morgen vorhaben.«
    »Was meinen Sie mit ›genau‹?«, fragte Simon. »Es gibt Patienten, die sagen ›ganz genau‹ und schreien dann entsetzt auf, wenn ich sage, zuerst hole ich die Knochensäge und dann …«
    »Zu denen gehöre ich!«, unterbrach ihn Liz. »Wäre es Ihnen möglich, es so zu beschreiben, dass ich es verstehe und es sich trotzdem nicht so schlimm anhört?«
    »Ich versuche es. Aber Sie müssen mir natürlich vertrauen. Das Schlimme war Ihr Sturz. Ich repariere jetzt nur, was kaputtgegangen ist. Es wird nicht schlimmer. Glauben Sie mir, alles wird besser.«
    »Vertrauen. Sie sagen es. Das ist ja das Problem. Warum sollte ich Ihnen vertrauen?«
    »Weil ich Medizin studiert habe. Weil ich Facharzt für Orthopädie bin. Weil ich nicht zum ersten Mal so einen Bruch operiere.«
    »Klingt gut. Ich versuche, es mir zu merken.«
    Er nickte und begann, Liz so ungenau genau wie möglich zu beschreiben, wo eine Schraube eingesetzt werden musste, um den Bruch zu stabilisieren, und konzentrierte sich bei seinen Ausführungen vor allem darauf, wie schnell das Bein dann verheilen würde.
    »Und ich wache auch wieder auf?«
    »Und Sie wachen auch wieder auf. Versprochen.« Er stand auf. »Essen Sie schnell noch einen kleinen Ofen«, riet er ihr, als er beim Hinausgehen auf die Uhr sah. »Sie werden sehen, morgen Nachmittag komme ich zur gleichen Zeit vorbei und dann essen wir zusammen noch so ein Ding, okay?«
    Sie lächelte schwach.
    »Wenn alles gutgegangen ist, gebe ich Ihnen zur Belohnung noch eines ab.«

    Annemie studierte schon während des Frühstücks ihren Stadtplan, den sie vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Die Gärtnerei Winter lag wirklich weit außerhalb. Sie konnte von Glück sagen, dass überhaupt ein Bus dorthin fuhr, auch wenn sie zweimal umsteigen musste. Es war eine richtige kleine Reise.
    Sie entschied sich, erst später zum Laden und zuerst zur Gärtnerei zu fahren, bevor sie der Mut verließ. Danach könnte sie beruhigt bei Hochzeitsfieber nach dem Rechten sehen. Der Anrufbeantworter. Sie musste den Anrufbeantworter abhören. Keinesfalls durfte sie ihre Notizen vergessen, die sie sich gestern im Krankenhaus gemacht hatte. Auf diesen Zetteln stand alles: wie man das Telefon bediente, wie man den Anrufbeantworter abhörte und wie man Nachrichten löschte. Sie hatte so viel vor, sie hoffte nur, dass sie auch alles hinbekommen würde. Heute konnte sie Liz schließlich nicht fragen, denn das arme Ding wurde sicher gerade operiert. Sie war verblüfft gewesen, wie nett alle im Krankenhaus gewesen waren. Damals war niemand so freundlich gewesen. Weder die Schwestern noch die Ärzte. Alle hatten streng und ernst dreingeschaut. Vielleicht war es ihr auch nur so vorgekommen. In ihrer Seele war ja auch kein Fünkchen Freude mehr gewesen, sondern nur schmerzliches Dunkel.
    Nachdem sie den Tisch abgeräumt, die Krümel säuberlich in die Hand gefegt und das Geschirr abgewaschen hatte, sorgte sie dafür, dass alles wieder schön ordentlich auf seinem Platz landete, wusch sich einen Apfel und steckte ihn in ihre Handtasche. Falls sie wie gestern nicht rechtzeitig zum Mittagessen kam. Annemie war überzeugt davon, dass ihr kleiner Zusammenbruch auf dem Krankenhausflur vor allem daher gerührt hatte, dass sie nicht zu ihrer regelmäßigen Zeit gegessen hatte. Das tat ihr nicht gut. Der Mensch war doch ein Gewohnheitstier. Sie stellte ihre Hausschuhe unter die Garderobe und schlüpfte in ihre

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