Wenn nicht jetzt, wann dann?
versprochen habe, wenn ich heute Nachmittag wieder wach hier liegen sollte. Und zum Glück hat er recht behalten. Auch wenn er nun das letzte bekommen hat.«
Sie schaute seufzend in die leere Schachtel, während Simon Friedrich aufstand, um Frau Hummel die Hand zu schütteln.
»Sie hat die Petit Fours übrigens gemacht. Sie ist die beste Konditorin, die man sich vorstellen kann. Wie finden Sie das, Frau Hummel, dieser Mann behauptet, nicht gerne süß zu essen, und jetzt schnappt er sich das letzte Stück.«
»Ich würde meinen, dass er das verdient hat.«
Annemie lächelte ihn an und war verlegen, weil Liz so viel plapperte. Vielleicht störte sie hier ja doch, dachte sie, während sie mit wachsender Begeisterung beobachtete, dass ihre äußerst unromantische Nachbarin, die alles verteufelte, was mit romantischer Liebe zu tun hatte, tatsächlich ein wenig mit dem gutaussehenden Arzt flirtete. Sie tauschte einen Blick mit der Dame im Nebenbett, die die gleiche Beobachtung zu machen schien und diese Vorstellung anscheinend interessanter fand als die nachmittägliche Telenovela im Fernsehen, die indessen stumm und unbeachtet im Hintergrund weiterlief.
Nachdem der Arzt gegangen war, setzte Annemie sich zu Liz und sah sie mit großen Augen an.
»Frau Baumgarten, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast glauben, dass Ihnen dieser junge Mann gefällt.«
»Ach, Quatsch. Der ist ganz nett, aber den kann man doch nicht ernst nehmen. Wo denken Sie hin, das ist ein Schwesternschwarm! Der sieht viel zu gut aus. Sie sollten mal sehen, wenn hier Visite ist, wie die Damenwelt an seinen Lippen hängt und ihm schöne Augen macht! Alle komplett hormongesteuert.«
»Und Sie sollten mal sehen, für wen allein er Augen hat, wenn er dieses Zimmer betritt«, kommentierte die Dame vom Nachbarbett bereitwillig und warf Annemie einen bedeutsamen Blick zu.
»Eine Verschwörung«, seufzte Liz. »Dagegen komme ich nicht an. Aber glauben Sie mir, er ist einfach nur nett und aufheiternd in dieser kranken Ödnis. Ansonsten gefällt mir an ihm gar nichts.«
Auf Annemies Nachfrage erzählte sie alles von der OP und wie viel Angst sie davor hatte, dass sie eigentlich erst seit zwei Stunden richtig wach war, und jetzt schon wieder müde wurde. Sie gähnte und fragte Annemie nach ihrem Tag. Doch als Annemie sah, wie müde Liz war, beschloss sie, am nächsten Vormittag wiederzukommen, um die Liste dann mit ihr gemeinsam abzuarbeiten.
»Dann schlafen Sie sich jetzt erst mal schön aus, das ist doch das Beste, und ich fahre nach Hause und backe Ihnen etwas. Morgen ist auch noch ein Tag.«
»Was backen Sie denn?« Liz gähnte schon wieder.
»Was Sie sich wünschen.«
»Den Superschokoladenkuchen. Von dem einem fast schlecht wird, wenn man zwei Stücke isst.«
Annemie lächelte. »Genau an den habe ich auch gedacht! Und vielleicht sollte ich mir auch noch etwas für Ihren Arzt überlegen, etwas kleines Salziges. Das mag er doch, oder?«
»Sehen Sie, und genau das meine ich, er sieht zu gut aus, den mögen alle«, seufzte Liz und legte schon den Kopf seitlich ins Kissen. »Und alle, das sind für mich zu viele.«
Damit schloss sie die Augen.
»Schlafen Sie gut. Ich bin sehr froh, dass Sie es gut überstanden haben.« Annemie nahm Liz’ Hand in ihre und drückte sie behutsam. »Wirklich froh.«
Liz antwortete nicht, sie war viel zu müde, aber sie erwiderte den Druck und hielt Annemies Hand noch einen Moment fest in ihrer, bevor ihre Hand sich entspannte. Sie war eingeschlafen. Annemie lächelte und legte Liz’ Hand sanft auf die Decke.
Auf dem Heimweg ging sie rasch in ihren kleinen Edekaladen, sie brauchte dringend frische Eier und Butter für den Kuchen und noch ein paar Zutaten für die kleinen Quiches, die sie dem Doktor backen wollte.
»Na, wo bleibst du denn?!«, rief ihre Freundin Waltraud ihr schon von der Kasse her zu, als sie den Laden betrat. »Ich warte auf Nachschub!«
Annemie erschrak, das hatte sie glatt vergessen.
»Ich habe das Buch noch gar nicht durch, stell dir vor, ich komme überhaupt nicht zum Lesen! Das glaubst du nicht, was mir passiert ist!«
Waltraud und Annemie verband, neben der Tatsache, dass sie damals zusammen in der gleichen Bäckerei gearbeitet hatten und Waltraud ihre Trauzeugin gewesen war, schon seit vielen Jahren ihre gemeinsame Schwäche für Liebesromane, die sie alle zwei, drei Tage – denn länger dauerte es nie, bis sie einen Roman durchhatten – austauschten. Waltraud war
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