Wenn nicht jetzt, wann dann?
macht.«
Und bevor Natalie widersprechen konnte, fiel Liz diese Binsenweisheit ein, dass man immer auf das Lust hatte, was der Körper brauchte, und man deshalb seinen Essgelüsten ruhig folgen sollte.
»Mit einem Döner lassen die mich doch gar nicht ins Krankenhaus! Das riecht doch wie eine ganze Imbissbude.«
»Gib’s zu, es ist dir nur peinlich, damit gesehen zu werden. Kleb ein Schild drauf: ›Ist nicht meine Idee. Ich wurde gezwungen!‹«
»Ganz großartig, Schwesterherz. Also, ich bring dir etwas sehr Fettiges, sehr Ungesundes mit.«
»Ich werde dir ewig dankbar sein.«
Liz legte auf und atmete einmal tief durch, bevor sie ihre Mutter anrief. Das Gespräch war genau, wie sie es erwartet hatte. Ihre Mutter tat sich selbst so leid, weil sie sich nun solche Sorgen um ihre Tochter machen musste, dass Liz vorschlug, sie könne ja vielleicht zu Hause bleiben, um sich zu schonen, in diesem Schockzustand. Sie selbst sei sowieso den ganzen Tag unterwegs, zu Untersuchungen und so weiter, da könnte sie eigentlich überhaupt keinen Besuch gebrauchen.
»Du würdest bloß die ganze Zeit im leeren Zimmer sitzen und warten, dass mich jemand zurückschiebt, und selbst dann kann es ja sein, dass ich irgendwie sediert und gar nicht richtig da bin. Also am besten, wir telefonieren, wenn ich wieder Besuch bekommen kann.«
Simon Friedrich, der gerade zur Tür hereinkam, hörte diese wilden Behauptungen und schüttelte tadelnd den Kopf, nachdem Liz aufgelegt hatte.
»Wen versuchen Sie sich denn da vom Leibe zu halten? Verehrer, die sich in die Quere kommen könnten?«
»Ha, schön wär’s! Aber nein. Meine Mutter ist manchmal eine Zumutung. Und das kann ich grade gar nicht gebrauchen.«
Sie schaute sich suchend um.
»Irgendwas riecht hier aber verdammt gut.«
Dann sah sie den Becher in seiner Hand.
»Also das ist eine Frechheit. Da ist ja meine Mutter nichts dagegen. Das ist Folter. Einer Kaffeesüchtigen so einen Becher aus der echten Welt vor die Nase zu halten!«
»Sie sollten sich Verehrer zulegen, die Ihnen jeden Morgen abwechselnd welchen bringen.«
»Toller Hinweis. Danke. Wenn Sie irgendwo Anwärter sehen, können Sie sie ja vorbeischicken. Ich kann mich grade so schlecht auf die Suche begeben.«
»Zu dumm. Nehmen Sie den so lange. Hab ich Ihnen mitgebracht. Ich konnte mich vage an eine Schimpftirade bezüglich des Krankenhauskaffees erinnern.«
Er reichte ihr den Becher. Liz schloss die Augen und sog den Geruch ein.
»Sie sind ja richtig nett.«
»Die einen sagen so, die anderen so.«
Er lächelte und ging wieder nach draußen.
»Und wahrscheinlich haben alle irgendwie recht!«, rief sie ihm noch hinterher, bevor die Tür ins Schloss fiel.
Während sie den Kaffee trank, der sie daran erinnerte, wie schön es doch wäre, nicht im Krankenhaus zu liegen, sondern einfach draußen umherzulaufen und sich einen Coffee-to-go zu kaufen, wann immer es einem gefiel, versuchte sie sich zu vergegenwärtigen, was sie heute alles mit Frau Hummel besprechen musste. Ihre Nachbarin hatte gestern irgendwie gestrahlt, vielleicht gefiel es ihr ja, etwas mehr zu tun zu haben. Liz müsste sie fragen, wie viel sie sich zutraute, denn sie wollte sie keineswegs zu sehr belasten. Es war ein Segen, dass sie sich überhaupt bereit erklärt hatte, ihr zu helfen.
Bestimmt könnte sie Frau Hummel bitten, sich um die Metzgertochter und ihren vegetarischen Bräutigam zu kümmern. Auf jemanden wie Frau Hummel würden die Metzgereltern sicher hören. Eher als auf sie selbst. Vielleicht könnte Frau Hummel auch die hysterische Mutter mit der Tochter übernehmen, die von ihrer kleinen Hochzeit träumte. Wenn sie sich richtig erinnerte, stand der Termin schon sehr, sehr bald an. Einen Versuch war es wert. Und sie musste daran denken, dass Frau Hummel bei ihrer Druckerei vorbeiging. Ihr war so, als müssten irgendwelche Karten fertig werden. Ob Annemie Hummel firm in der Rechtschreibung war und so genau gegenlas wie sie? Am besten, sie las selbst alles noch einmal durch, bevor es rausging. Das war auf alle Fälle sicherer. Und Liz war gern auf der sicheren Seite.
Als ihre Bettnachbarin Rosi Schäfer von ihrem morgendlichen Rollatorausflug zurück ins Zimmer kam, verkündete sie, dass die Visite im Anmarsch war und dass es heute Mittag Blumenkohlauflauf gab. Blumenkohl. Liz hoffte, dass ihre Schwester Wort halten würde in Bezug auf den Döner. Natalie lebte immer so fürchterlich gesund. Kein Zucker, keine falschen Fette, kein
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