Wenn nicht jetzt, wann dann?
sein? Und sie dachte an sich und ihre Gefühle für Fabian. Wenn sie nicht mehr bei ihm sein könnte, würde sie sich in Luft auflösen wollen und lieber aufhören zu existieren, als ohne ihn zu sein?
Nina stand auf und räumte ihr Glas in die Küche. Darüber würde sie ein anderes Mal nachdenken müssen. Heute spielten ihre Gedanken einfach verrückt.
Liz fühlte sich nach wie vor recht elend, als sie morgens aufwachte. Aber was hatte der Arzt gesagt, drei Tage, dann würde es besser werden. Die drei Tage waren noch nicht um. Sie schloss die Augen und versuchte, wieder einzuschlafen. Vielleicht könnte sie den Tag einfach verschlafen, damit die Zeit schneller herumging. Sie probierte eine andere Liegestellung, um es gemütlicher zu haben, doch der Versuch war nicht von Erfolg gekrönt. Es war schrecklich, so hilflos zu sein. Drei Tage. Sie dachte an ihre Mutter. Irgendwie fühlte sie sich noch nicht in der Lage, ihr zu begegnen. Schließlich wusste sie genau, dass sie nicht den erwünschten Beistand von ihr erhalten würde. Vielmehr würde Liz ihre Mutter darüber hinwegtrösten müssen, dass es ihre Tochter aus dem Sattel gehoben hatte. So wie sie sich jetzt fühlte, überstieg das eindeutig ihre Kräfte.
Liz seufzte. Vielleicht könnte ihre Schwester Natalie helfen. Obwohl sie Natalie eigentlich nicht noch zusätzlich belasten wollte. Mit ihren vielen Kindern und dem Job und allem, was sie alleine zu bewältigen hatte, konnte sie nicht auch noch eine verunglückte Schwester brauchen. Andererseits konnte sie die arme Frau Hummel nicht so einspannen. Sie war eine Nachbarin, mehr nicht. Nein, das stimmte so nicht. Frau Hummel war eine sehr besondere Nachbarin. Eigentlich war sie eine Freundin. Wie sie ihr momentan zur Seite stand, das machten nur wirklich gute Freundinnen. Liz spürte, wie ihre Augen feucht wurden, sie wusste nicht, warum. Weil sie so gerührt war, dass Frau Hummel ihr half, oder weil sie feststellen musste, dass sie seit der Enttäuschung über Claire nie wieder besonders tiefe Freundschaften geschlossen hatte. Liz seufzte noch einmal. Trotz ihres geschäftigen Lebens, trotz ihres kommunikativen und kontaktreichen Berufs hatte sie niemanden, der sich um sie kümmerte. Außer ihrer Nachbarin, die ungefähr doppelt so alt war wie sie und gurrende Täubchen entzückend fand. Das Einzige, was sie gemeinsam hatten, war, dass sie sich – wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen – für Hochzeiten interessierten sowie ihre Adresse und das Stockwerk, auf dem sie wohnten. Aber wenn Liz ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass das nicht stimmte. Sie hatten noch eine andere große Gemeinsamkeit.
Sie waren beide einsam.
Nach dem Frühstück, als Liz sich schon etwas besser fühlte, auch wenn der dünne Kaffee einem durchaus den Tag verderben konnte, griff sie zum Telefon und wählte die Nummer ihrer Schwester.
»Was ist los?«, fragte Natalie sogleich alarmiert, und Liz fiel ein, dass sie ihre Schwester wahrscheinlich noch nie morgens um sieben angerufen hatte, weil Liz zu dieser Zeit normalerweise noch tief und fest schlief. Liz erzählte ihrer Schwester, was passiert war und dass sie ihre Hilfe bräuchte. Nachdem Natalie erst entsetzt aufschrie und sie zutiefst bedauerte, um dann zu überlegen, wie sie es nun auch noch schaffen solle, die Krankenhausbesuche mit ihrem Job und den Kindern unter einen Hut zu bekommen und so weiter und so fort, unterbrach Liz ihre Schwester.
»Es geht erst einmal nur um Mama. Kannst du Mama beruhigen?«
Natalie verstand sofort.
»Weiß sie es schon?«
Liz verneinte.
»Sagst du es ihr denn selbst?«
»Mach ich, aber kannst du sie dann später anrufen und ihr klarmachen, wie wichtig Ruhe für die Genesung ist? Und dass ich erst mal keinen Besuch brauche?«
»Es hat dich ganz schön erwischt, was?« Natalie klang jetzt sehr besorgt. »Ich komme heute nach der Arbeit vorbei, bevor ich die Kinder abhole. Was brauchst du? Nachthemd? Zahnpasta, Zeitschriften? Pralinen? Saft? Was braucht man denn so im Krankenhaus heutzutage?«
»Meine Nachbarin hat mich schon mit allem versorgt, was ich hemdchen-höschen-mäßig brauche. Das Essen hier ist so wie früher bei Schulfreizeiten in Jugendherbergen. So Richtung Graubrot und eine Scheibe Jagdwurst. Mit Gürkchen. Und dazu Früchtetee. Da ist jede Abwechslung willkommen.«
»Oje. Also Obst und Salat?«
»Wenn’s sein muss. Sonst lieber Pommes oder einen Döner. Irgendetwas Schreckliches, was glücklich
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