Wenn nicht jetzt, wann dann?
für ein süßer Tischschmuck! Eine Girlande aus Wiesenblumen. Das ist genau, was ich mir wünsche!«
Sie sprang auf und umarmte Annemie.
»Ich danke Ihnen! Das ist mein Traum!«
Als sie gegangen war und Annemie alle Notizen, die sie sich gemacht hatte, in einem Ordner abheftete, wie Liz es ihr geraten hatte, räumte sie die Bücher und Bilder wieder ordentlich zurück an ihren Platz, rückte die Buchrücken noch einmal gerade und dachte, dass die ältere Frau Hartmann ihre Tochter nie so glücklich sehen würde, wie Annemie sie eben gerade erlebt hatte. Und das tat ihr plötzlich furchtbar leid.
Um Punkt 14 Uhr stand Annemie vor dem großen Brautmodensalon und wartete auf Nina. Sie war nervös. Nina machte sie nervös. Sie hatte den Rat von Herrn Frank befolgt und ein wenig Sprechen geübt. Aber als sie ihre Spiegelung in der Scheibe des Schaufensters sah, sank ihr der Mut. Da drinnen hingen die Kleider für die Damen von Welt. Und hier draußen war sie, die Zuschauerin, die durch einen dummen Zufall, nämlich den Unfall ihrer Nachbarin, hier gelandet war und nun dort hineingehen musste. Zu hochnäsigen Beraterinnen, die sie abblitzen ließen und Frau Winter hofieren würden. Nina Winter kam in einem flotten Auto angebraust, parkte direkt vor der Tür und begrüßte Annemie mit einem unverbindlichen Nicken. »So, dann wollen wir mal.«
Drinnen wurden sie persönlich von einer Dame empfangen, die wahrscheinlich nur wenige Jahre jünger war als Annemie selbst, und das gefiel ihr. Sie fühlte sich sofort etwas weniger fehl am Platz, auch wenn diese Dame eine Eleganz ausstrahlte, die sie nie besitzen würde, selbst wenn sie die gleichen Kostüme tragen würde. Allein diese Feinstrumpfhose. Wo bekamen Frauen wie sie nur diese Feinstrumpfhosen, die gleich so viel eleganter aussahen als ihre, die irgendwie stumpf waren und immer den falschen Farbton hatten, egal welche Farbe sie wählte. Auf den Packungen standen stets so klangvolle Namen wie »Perle« oder »Sahara«, aber wenn sie die Strumpfhosen anzog, sahen sie weder nach Perle noch nach Sahara aus, sondern einfach nur nach Gesundheitsstrumpf.
Die Verkäuferin stellte sich lächelnd als Frau Schwarz vor und geleitete sie ins Innere des Geschäftes, das so groß war, dass Annemie sofort den Überblick verlor. Frau Schwarz bat die beiden, auf dem Sofa Platz zu nehmen, und fragte, ob sie Champagner oder Kaffee anbieten dürfe.
»Kaffee«, antwortete Nina sofort. »Wir wollen schließlich einen klaren Kopf bewahren.«
»Wenn man nach einem passenden Brautkleid sucht, ist es manchmal auch ganz sinnvoll, den Kopf auszuschalten, damit das Herz wählen kann. Aber ich bringe Ihnen natürlich sehr gerne Kaffee.«
Damit entschwand sie.
Annemie blickte Frau Schwarz hinterher, sie gefiel ihr immer besser. Zusammen mit Nina saß sie auf dem Sofa und sah sich um, während sie warteten. Die Wände hinter ihrer Sitznische hingen voller Bilder unterschiedlichster Brautkleider.
»Bekommt man hier Kataloge zum Durchblättern, oder wie geht das?«
»Ich war noch nie hier, aber ich dachte eigentlich, dass man anhand der Kataloge eine Vorauswahl trifft und die Kleider dann anprobiert, um herauszufinden, was einem am besten steht.«
Nina nickte.
»Sind Sie aufgeregt?«, fragte Annemie.
Nina schüttelte verneinend den Kopf.
»Warum auch? Man schaut sich Kleider an und überlegt, welches man nimmt. Ist das aufregend?«
»Aber natürlich!«, rief Annemie aus. »Das Kleid tragen Sie nur einmal, und Sie tragen es am schönsten Tag Ihres Lebens, an dem Tag, an dem Sie jede Sekunde im Mittelpunkt stehen und die glücklichste junge Frau sein werden! Da ist es doch wichtig, dass Sie die richtige Wahl treffen.«
Nina schwieg und sah Annemie von der Seite nachdenklich an.
»Wenn ich ehrlich bin, bin ich entsetzlich aufgeregt«, gestand Annemie. »Und ich freue mich so darauf, Sie in einem Brautkleid zu sehen.«
»Sie sind süß«, antwortete Nina. »Vielleicht ist ja auch gar nichts dabei, was mir gefällt.«
»Dann kommen wir wieder. Wir werden Ihr Brautkleid schon finden.«
Annemie lächelte Nina so zuversichtlich an, dass Nina tatsächlich ein wenig schief zurücklächelte. Annemie war jetzt schon etwas weniger nervös und spürte eine freudige Aufregung in sich aufsteigen. Was war das für ein wundervoller Tag! Sie durfte mit einer jungen Frau ein Brautkleid aussuchen. Wie oft hatte sie Liz darum beneidet, und nun saß sie selbst hier, in so einem schönen Geschäft, wo sie
Weitere Kostenlose Bücher