Wenn nichts mehr ist, wie es war
mir ein wenig Sorgen. Unter anderem ist das aber auch ein Grund , warum ich noch einmal hierher gekommen bin. Ich hätte dich gerne g e fragt, ob du mir etwas mehr über den Inspecteur verraten kannst, bevor ich in seinem Gästezimmer nächt i ge.“
Irene fühlte sich in ihrer Kaffeekränzchenseele geehrt. „Mädchen, du liegst goldrichtig mit deinem Ve r dacht. Der Inspecteur war verlobt . Nachdem dann aber das Haus gekauft, renoviert und b e zogen war, ist die Frau hochschwanger abgehauen. Das hat ihm das Herz gebr o chen. Aber we n wunderts? Da bereitet man das sprichwörtliche Li e besn est vor und die Angebetete weiss nichts Besseres, als es fluchtartig sogleich wi e der zu verlassen.“
„ War das d ie Frau auf dem Foto auf seinem Schrei b tisch?“
„So ist es. Ich glaube, dass das Weib verschwunden ist, hat er irgen d wie schon ein bisschen überwunden, aber dass sie einfach so sein un geborenes Kind auf nimmer W iedersehen mitgeno m men h at, das hat er nie verkra f tet.“
Die beiden Frauen hatten v ertrauensvoll die Köpfe zusammeng e steckt und waren derart in ihr Gespräch vertieft, dass sie nicht merkten, dass Jérémie hinter sie g e treten war.
„Soso, wird meine ach so traurige Geschichte des armen verlass e nen Mannes wied er einmal ausgeschlachtet. Irene, ich würde s a gen, das ist genug für heute, sonst überdenke ich die Pinguine noch einmal und ersetze sie womöglich mit Herrentoile t ten.“
Augenblicklich war Irene still.
Beth musste erst noch den Schreck en verdauen , bevor sie zu einer En t schuldigung an setzen konnte . Jérémie winkte aber nur ab und de u tete an, dass es Zeit war, nach Hause zu gehen. Schuldbewusst stand Beth auf und folgte Jérémie mit hängendem Kopf. Den ga n zen Weg sprachen si e kein Wort miteinander , auch zuhause ang e kommen , bekam Jérémie die Zähne nicht auseina n der.
D ieses Schweigen entwickelte sich zu einer Geduldspr o be, der Beth nicht mehr gewachsen war. „Es reicht. Nur schon aus beru f lichen Gründen kannst du mich nicht ewig a n schweigen. Es war dumm von mir, dir auf diese Art hinterher zu schnü f feln. Aber mal ehrlich, wenn ich dich gefragt hätte, hättest du mir nicht geantwo r tet, sondern dich in deinen Pa n zer zurückgezogen. Im Laufe des Tages hatte ich etwas Zeit zum N achdenken und das hat mir zug e gebenermassen Fl ausen in den Kopf gesetzt. F ühr dir bitte einmal die Gesamtsituation vor A u gen. Auf dem Friedhof verstorbene Tante, selbst bei nahe umgekommen wegen austretendem Gas, das man selbst nicht ang e stellt hat, das alles in einer Stadt, die nicht die eigene ist und jetzt soll ich auch noch unter dem Dach eines praktisch wildfremden Mannes schlafen , von dem ich nichts weiss, ausser dass er bei der Polizei arbeitet, ein schönes Haus besitzt, in dem klare Züge einer weiblichen Hand zu erkennen sind, ab er weder Fotos einer solchen noch Familie n bilder oder Schnap p schüsse von Freunden zu finden sind. Schlimmer noch, es sind übe r haupt keine Fotos aufgestellt oder aufgehängt. Das ist doch bei genauerer Betrachtung echt beängstigend. Und nicht zu vergessen das verschlossene Zimmer!“ Beth biss sich auf die Li p pen. Die letzten Worte hatte sie e i gentlich nicht sagen wollen, aber sie hatte sich so in Rage gesprochen, dass es ihr einfach herausg e rutscht war .
Jérémie s Augen verdunkelten sich zunehmends. Beth sah, wie sich seine Muskeln anspannten und das jagte ihr einen kalte n Schauer über den Rücken. Bereits überlegte sie, wie sie es gegen ihn au f nehmen sollte, wenn er sie angriff . Die einzige Möglic h keit war Flucht. Würde er sie erwischen, wäre sie ihm komplett unterlegen. Umso erstaunter war Beth dann darüber, wie ruhig sich seine Stimme anhörte , als er zu spr e chen begann.
„Setz dich. Du siehst aus wie die Mischung aus einem geschlag e nen Hund und einem fluchtbereiten K a ninchen.“
„Ich stehe lieber noch ein bisschen.“ Ihr Misstrauen wurde durch seine Gelassenheit nur noch mehr g e schürt.
„Wie du willst. E s könnte mit der Zeit aber anstrengend we r den.“ Dann begann er zu erzählen. Nach und nach entspannte sich B eth wi e der, bis sie wieder soweit V ertrauen geschöpft hatte , dass sie sich hinsetzte. Jérémie erzählte von dieser Frau, deren Foto i m mer noch auf dem Tisch in seinem Büro stand. Wie er sie kenneng e lernt hatte , wie die Pläne für die Zukunft aussahen, wie sie z u sammen das Haus suchten, kau f ten und renovierten, wie sie schwanger
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