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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lind
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gemacht? Einige schienen schon zu überlegen, ob sie mich anzeigen sollten.
    Ihr Idioten!, antworteten meine Augen. Glaubt ihr, ich tue das meinem Kind mit Absicht an?
    Sie schienen es nicht nur zu glauben. Sie schienen davon überzeugt zu sein.
    Daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen, ging es mir durch den Kopf. Aber sollten sie doch starren: Ich hielt ihren Blicken stand. Als wir endlich an die Reihe kamen, waren die Apfelsinen aus.
    N ach acht Monaten wurde meinem kleinen Mädchen endlich der Spreizgips abgenommen. Acht Monate ohne Strampeln, ohne Bewegung, ohne dass frische Luft an ihre Beine gekommen wäre!
    Dementsprechend mager und schlaff hingen ihre Beinchen jetzt herab, und Anja schaute mich völlig erstaunt an, so als wollte sie sagen: »Wie jetzt? Und die gehören auch noch zu mir?«
    Mit einem Plüschbären strich ich ihr unablässig über die nackten Beine, damit sie die zärtliche Berührung genießen konnte. Dabei schnurrte sie regelrecht vor Wonne.
    »Mein allerliebster Bernd«, schrieb ich an jenem Abend, als mein kleines Mädchen erstmals wieder selig schlummernd auf der Seite lag. »Zuerst mal eine freudige Nachricht: Der Gips ist ab! Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie glücklich Mutter und Tochter darüber sind, das sperrige grässliche Ding endlich los zu sein! Unsere kleine Anja passt wieder in ihren Kinderwagen, und ich bin heute bei herrlichstem Früh lingswetter stolz wie Bolle mit ihr losgezogen. Endlich kein blödes Gegaffe mehr! Ich konnte ganz normal wie alle anderen Muttis in der Schlange vor dem Konsum stehen.
    Doch leider, mein lieber Mann, gibt es auch traurige Nachrichten: Die ganze Gips-Prozedur hat über haupt nichts genutzt: Anjas Beinchen sind genauso gelähmt wie vorher, die Gelenkpfannen haben sich trotzdem nicht richtig ausgebildet. Ach, Liebster, ich hoffe so sehr, dass wir beide stark und tapfer bleiben und niemals aufgeben werden! Mit Dir an meiner Seite wäre es so viel einfacher, diese Nachricht zu ver kraf ten! Frau Dr. Versmold meinte, es gäbe vielleicht die Möglichkeit, Anjas gesunde Gehirnzellen mithilfe einer gezielten Physiotherapie dazu anzuregen, die Ar beit der zerstörten Gehirnzellen zu übernehmen. Wir müssen täglich drei Stunden trainieren, so Dr. Versmold, dann KANN es VIELLEICHT funktionieren! Das ist ein riesiges Stück Arbeit, Bernd, aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben! Nur diese positive Einstellung kann unserer Tochter weiterhelfen. Ach, Liebster, ich verspreche Dir, nicht mehr zu weinen, sondern nur noch zu kämpfen.
    Jetzt hast Du schon ein Jahr Deines Militärdiensts abgeleistet, die nächsten sechs Monate stehst Du auch noch durch. Ich küsse Dich aus der Ferne und stelle mir ganz fest vor, Du wärst hier und würdest mich in den Armen halten … Wir werden Anja ein schönes lebenswertes Leben voller Liebe und Geborgenheit schenken! Das ist unsere Lebensaufgabe, Bernd!
    Halte durch, ich tue es auch!«
    Bei diesen Worten liefen mir nun doch die Tränen über die Wangen und tropften auf das Blatt Papier. Die Tinte verlief, so sehr ich mich auch darum bemühte, Bernd nicht merken zu lassen, wie niedergeschmettert ich nach dieser Diagnose war und wie entsetzlich einsam ich mich wieder einmal fühlte. Mit bleischweren Beinen trug ich den Brief zum Briefkasten.
    Zwei Tage später stand Bernd vor der Tür. Er hatte zwei Tage Sonderurlaub bekommen.
    »Schau doch! Bernd, schau doch nur! Sie krabbelt!«
    Mein verschlafener Soldat erschien sofort verwirrt in der Wohnzimmertür.
    Mich hatte dermaßen der Ehrgeiz gepackt, dass ich schon seit dem Morgengrauen mit unserem Püppchen trainierte. Die Therapeutin in der orthopädischen Klinik hatte mir Griffe gezeigt, mit denen man ihre schlaffen Muskeln dehnen und anregen konnte.
    »Immer bis an die Schmerzgrenze gehen«, hatte die Therapeutin gesagt. »Sonst nützt das alles nichts. Haben Sie kein Mitleid, denn dann können Sie die Übungen genauso gut bleiben lassen: Strecken, dehnen, überdehnen, spannen, Spannung halten, bis zwanzig zählen, wieder lösen, und das Ganze gleich wieder von vorn …«
    Doch statt mich anzubrüllen, lächelte mich mein Kind sogar noch dankbar an! Anja freute sich einfach über jede Form von Zuwendung, auch wenn sie mit Schmerzen verbunden war. Vor lauter Eifer hing ihr die Zunge aus dem Mund, während ich ihre Beinchen Zentimeter für Zentimeter über die Matte schob. »Ja! Hurra! Du schaffst es!«, spornte ich sie an wie eine Eislauftrainerin, deren Zögling

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