Wenn nur dein Lächeln bleibt
den abgestempelten, ge nehmigten Antrag mitsamt der Zahlungsquittung bei. So, uff, geschafft. Schließlich muss alles seine Ordnung haben, nicht wahr?
Doch nach sechs Wochen wurde ich langsam unruhig. Wann würde unser heiß ersehntes Stück eintreffen? Man wollte uns doch benachrichtigen?
»Die Ostmühlen mahlen langsam«, mahnte mich Bernd zur Geduld. Unermüdlich schleppte er unsere Anja im Tragetuch vor sich her. Ich natürlich auch, wenn auch auf kleineren Strecken. Bevor ich mein Kind in einen Bollerwagen legte, würde ich den Kerl auf dem Sozialamt eigenhändig erwürgen.
»Gib ihnen noch zwei Wochen.«
Nach zwei weiteren Wochen platzte mir der Kragen. »Er ist BEZAHLT !«, sagte ich mit bebender Stimme. »Mit WESTMARK . Er ist GENEHMIGT . Ich habe den Antrag auf Einfuhrgenehmigung gestellt. Der kann doch nicht verloren gegangen sein!«
In meinem Büro im Rapunzelzimmer griff ich wider besseres Wissen wutschnaubend zum Telefonhörer. Mein lieber Vorgesetzter Heidemechels war gerade in die Mittagspause verschwunden. Natürlich waren private Telefonate dieser Art verboten, aber ich wäre sonst geplatzt.
»Hädicke, Antrag Rollstuhl, BRD , bei der Sozialbehörde genehmigt, bereits in Westmark bezahlt«, leierte ich sämtliche Informationen herunter. »Ich habe vor acht Wochen einen schriftlichen Antrag auf Einfuhrgenehmigung bei der Gesundheitsbehörde gestellt. Warte seitdem auf Nachricht, wo und wann mein Rollstuhl abzuholen ist.«
Natürlich wurde ich zehnmal weiterverbunden, weil niemand zuständig war. Nervös blickte ich auf die Uhr und trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. Mein lieber Chef, der mir ja nicht zutraute, dass ich mit einem behinderten Kind konzentriert meine Arbeit tat, konnte jeden Moment aus seiner Mittagspause zurückkommen. Ich hing bereits seit einer halben Stunde am Telefon und hatte meinen Text auch schon zehnmal wiederholt.
Es klingelte, es knisterte, jemand hatte geruht, den Hörer abzunehmen.
»Reinberg, zuständige Sachbearbeiterin. Was ham Se denn aufm Herzen?«
Ich wiederholte meinen Text zum elften Mal. Mein Puls hatte sich bedenklich beschleunigt.
»Da müsste ich mal nachschauen …« Raschel, raschel. Die Dame bequemte sich, in ihren Akten nachzusehen. Schließlich kam sie schnaufend wieder ans Telefon: »Ihr Antrag steckt hier in einem Aktenordner. Da fehlen noch Unterlagen.«
»Wie, da fehlen noch Unterlagen?«
»Ja, so schlampig können Sie den Antrag nicht einreichen, gute Frau.«
Ich atmete tief ein und wieder aus, zählte bis zehn.
»Inwiefern schlampig?«
»Da ist ja noch nicht mal ein ärztliches Gutachten dabei.« Ich hörte sie blättern. »Das die Notwendigkeit des Rollstuhls wirklich bestätigt.«
Mir blieb die Luft weg. Meine Finger krampften sich um einen Bleistift, der daraufhin zerbrach.
»Meine! Tochter!«, stieß ich zwischen den Zähnen hervor, »ist schwerstbehindert, spastisch gelähmt. Sie wird nie laufen können, wie unzählige ärztliche Atteste beweisen, und wir haben vor ACHT WOCHEN …« Spucketröpfchen flogen durch das einfallende Sonnenlicht.
»Nun mäßigen Sie mal Ihren Ton! Das wird ja nicht so schwer sein, mit Ihrer Tochter zum Arzt zu gehen und sich das bestätigen zu lassen.«
»Aber es WURDE bestätigt!«, schrie ich in den Hörer. »Die Atteste liegen alle bei!«
»Aber keines dokumentiert die Notwendigkeit eines Rollstuhls«, sagte die Mitarbeiterin des Ministeriums kalt. »Das steht in keinem einzigen Schriftstück. Da muss stehen, dass es genau dieser Rollstuhl, dieser Marke, dieser Größe, genau dieser Firma aus der BRD sein muss und kein anderer.«
»Das hätten Sie mir doch mitteilen können«, japste ich erschöpft. »Wir warten seit acht Wochen auf eine Antwort!«
»Da hätten Sie lange warten können«, gab die Frau herablassend von sich. »Wir sind doch nicht ver pflichtet, Sie darauf hinzuweisen, welche Schriftstücke fehlen!« Ich hörte sie einen Aktenordner zuknallen.
»Sie hätte mich … nie angerufen?«
»Natürlich nicht. Wir haben auch so schon genug zu tun.«
Meine Zähne gruben sich in meine Unterlippe. Unten hörte ich, wie die Tür zufiel. Heinz Heidemechels keuchte bereits die Treppe herauf. »Wenn ich nicht innerhalb von EINER WOCHE die Einfuhrgenehmigung habe«, zischte ich, stehe ich mitsamt meinem behinderten Kind bei Ihrem Vorgesetzten und lege es ihm auf den Schreibtisch. Und wagen Sie es ja nicht, meine Akte wieder in Ihrem Büroschrank verstauben zu lassen!« Ich
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