Wenn nur dein Lächeln bleibt
wieder Regungen.
»Ja, Mädel!«, jauchzte ich. »Jetzt lassen wir es mal so richtig krachen!«
Die Gegend war wirklich wunderschön. Hier in der Hügellandschaft mit den satten Wiesen sagten sich Fuchs und Hase Gute Nacht.
Als der Wagen hielt und unser Freund »Wir sind da« sagte, musste ich erst einmal schlucken.
Das »Ferienhaus« war ein schmuckloses graues schäbiges Mehrfamilienhaus mit einer Gaststätte im Erdgeschoss. Uns wurde ein Zimmer im zweiten Stock zugewiesen. Natürlich ohne Aufzug. Man musste den Rollstuhl durch ein enges hölzernes Treppenhaus schleppen. Das Zimmer verfügte über ein Ehebett, eine schmale Liege, ein Waschbecken und einen Schrank. Das Klo war auf dem Gang.
Unsere Mundwinkel sanken nach unten. Aha. Hier sollten wir nun also zwei Wochen lang die Seele baumeln lassen. Und wohin mit Anja? War etwa diese schmale Plastikliege für sie vorgesehen?
Wir hatten unsere Enttäuschung noch nicht verdaut, als es Abendessen gab. Also schleppten wir Anja wieder hinunter in die Gaststätte. Es gab Schnitzel mit Kartoffeln und Erbsen. Na toll!
Ich erhob mich, weil Anja bereits hungrig schrie, und ging in die Küche, wo mehrere Angestellte der viel gepriesenen Behinderteneinrichtung mit Töpfen und Pfannen hantierten. Bernd zähmte währenddessen die junge Dame auf seinem Schoß und erzählte ihr was von Tischmanieren.
»Hallo, ihr Lieben, ich bin die Angela. Habt ihr mal eben einen Fleischwolf für mich?«
»Fleischwolf? Nee. Den gibt’s hier nicht.«
»Aber meine Tochter kann nicht kauen.«
»Hm.« Der Koch nahm seine Mütze ab und kratzte sich am Kopf. »Was machen wir denn da?«
»Das frage ich Sie. Ihr seid doch die behindertengerechte Einrichtung.«
»Na ja, aber soooo speziell …«
»Habt ihr einen Pürierstab?«
»Nö.«
»Einen Mixer?«
»Nö.«
»Ja, was HABT IHR DENN DANN ?«
»Messer und Gabel. Das muss reichen.«
»Okay. Klar.« Laut seufzend verließ ich die Profiküche. Wir zerdrückten für unsere hungrige Anja Kartoffeln in Sauce. Alles wie gehabt. Echt entspannend.
Eine junge Köchin rannte allerdings flugs in ihre staatliche Ausbildungsküche und stahl Staatseigentum: so ein Monster von Fleischwolf, in dem ich am liebsten die ganze SED püriert hätte. Von nun an bekam Anja ihre vollwertigen Mahlzeiten, ganz wie zu Hause. Schließlich waren wir ja zur Entspannung hier, nicht wahr?
»So!« Bernd rieb sich tatendurstig die Hände. »Dann wollen wir unsere kleine Prinzessin mal baden. Und sie von ihren Windeln befreien.« Er hob Anja aus dem Rollstuhl. »Da wir keine Badewanne im Zimmer haben und keinen Wickeltisch … Wo können wir denn hier mal …« Er wies auf Anjas Popo, dem schon die üblichen Gerüche entströmten.
»Ähm … wie … Badewanne?«
»Na ja, eine Dusche tut’s im Notfall auch.«
»Dusche? Nee. Die gibt’s hier nicht.«
»Ja, wo werden die Behinderten denn hier normalerweise gewaschen?«
»Am Waschbecken?«
»Wie? An dieser Untertasse da oben in dem engen Dachzimmer? Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst!« Bernds Stimme verlor kurzfristig jeden heiteren Unterton.
»Tja, also …« Der Behindertenurlaubsveranstalter nahm seine Mütze ab und kratzte sich am Kopf. »Wir hätten da im Keller noch eine alte Badewanne. Die wurde aber lange nicht benutzt.«
»Och, das macht doch nichts«, sagte ich und zwinkerte Bernd aufmunternd zu. Nur nicht aufgeben!
Wir stiegen in den muffigen Keller hinab – und was sahen wir da? Eine Badewanne. Die jedoch von Bauarbeitern (»Wir erweitern und verschönern Ihre Behinderteneinrichtung!«) zum Anrühren von Mörtel benutzt worden war. Jetzt stand eine bräunlichgrüne Brühe darin, in der alte Pinsel und Spachtel herumdümpelten. Überall rostiges Werkzeug: Bohrer, Mörtelmischer und Zementeimer. Die ursprüngliche Farbe der Wände und des Fußbodens war gar nicht mehr zu erkennen.
»Hübsch hier!«, sagte Bernd. »Das lädt doch zum Verweilen ein. Da nehmen wir doch gleich mal ein Entspannungsbad.«
»Tja also …« Der Veranstalter sah sich um und schien seinen Saustall zum ersten Mal mit den Augen von Behinderten-Eltern wahrzunehmen. »Wenn Sie die sauber machen wollen, habe ich nichts dagegen.«
WAR das nicht ein nettes Angebot? So was von herzlich, hilfsbereit, spontan und gastfreundlich!
»Aber gern!«, zwitscherte ich. »Ich wusste gleich, dass wir uns hier wohlfühlen werden.«
An diesem Abend wuschen wir Anjas vollgeschissene Windeln im winzigen Waschbecken unseres behindertengerechten
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