Wenn nur dein Lächeln bleibt
hatte ich Bernd schon lange nicht mehr erlebt. Wenn der Feldwebel jetzt nach Bernds Dienstgrad fragte, war er geliefert.
Aber der Feldwebel stieg kleinlaut in seinen Wagen und knatterte von dannen. Danach stand sein Wagen nie mehr auf unserem Parkplatz.
19
B ernd und ich waren ein eingespieltes Team. Wir lieb ten uns, wir vertrauten einander. Anja hatte unsere Liebe nur noch stärker werden lassen. Wir hatten schon so viel zusammen geschafft! Und so wünschten wir uns ein zweites Kind. Natürlich hatten wir eine genetische Untersuchung machen lassen, die uns bestätigte, dass Anjas Behinderung zu 99,9 Prozent auf einen frühkindlichen Hirnschaden bei der Geburt zu rückzuführen war. Aber das musste man mir nicht großartig schriftlich bestätigen. Ich hatte es schließlich am eigenen Leib erlebt!
Doch wir wollten die schriftliche Bestätigung allein schon deshalb in Händen halten, damit unser zweites Kind eines Tages keine Angst haben musste, in unserer Familie könnten Erbkrankheiten oder Gendefekte vorliegen.
Es gab noch andere Gründe, warum wir an einer erneuten Schwangerschaft »bastelten«: Immer wieder hatten uns die Ärzte prophezeit, dass wir Anja über kurz oder lang verlieren würden. Und dann wären wir kinderlos. Unvorstellbar! Und selbst wenn Anja uns noch lange erhalten blieb: Großeltern würden wir so niemals werden! Wir waren schon immer Familienmenschen gewesen.
Doch eine Schwangerschaft wollte und wollte sich nicht einstellen, und es drängte die Zeit. Eines Tages würde Anja so schwer werden, dass ich sie nicht mehr würde tragen können – nicht als Schwangere. Außerdem hofften wir natürlich für Anja, dass es eines Tages einen Menschen geben würde, der Anja liebt und sich für sie verantwortlich fühlt. Der Gedanke, Anja könnte uns überleben und einsam und allein in einem Heim vor sich hin vegetieren, war uns unerträglich.
Der Gynäkologe, den ich in meiner wachsenden Ungeduld konsultierte, bestätigte mir, was ich schon vermutete:
»Frau Hädicke, bei Ihnen ist es die Psyche. Sie stehen einfach zu sehr unter Leistungsdruck. Versuchen Sie, sich zu entspannen, und lassen Sie es einfach drauf ankommen.«
Tja, sehr witzig! Solche Sprüche kommen nur von Männern.
Aber eines Tages spürte ich: Jetzt bin ich wieder schwanger. So schnell wie möglich machte ich einen Termin bei meinem Gynäkologen. In mir sang es: Ich bin schwanger, ich bin schwanger! Ich werde ein gesundes, normales Kind haben! Ich ging nicht, ich schwebte!
»Na, Frau Hädicke, wie fühlen wir uns denn heute?« Der Gynäkologe, Dr. Bauer, ein rotwangiger Mann mit Spiegelglatze, drückte mir gönnerhaft die Hand.
»Herr Doktor, ich glaube, diesmal hat es geklappt!«
»Dann machen Sie sich mal untenrum frei!«
So schnell war bestimmt noch nie eine Frau aus ihren Kleidern geschlüpft und auf den Untersuchungsstuhl gesprungen!
Dr. Bauer zog erst mal geräuschvoll die Nase hoch, warf einen Blick in meine Patientenakte und schaute sich dann meinen Unterleib an.
»Hm«, sagte er und tastete in mir herum. »Tja …«
»Was jetzt, Herr Doktor, ja oder nein?«
Vor Ungeduld hätte ich ihm am liebsten sein Besteck aus der Hand gerissen und selbst nach dem Rechten geschaut!
»Nun ja, liebe Frau Hädicke, es stimmt schon, Sie sind schwanger.« Dieser Tonfall war nicht gut. Gar nicht gut.
»Aber?« Mein Herz raste. Der Arzt blickte so besorgt und betreten drein, als hätte er ein zweiköpfiges Kalb entdeckt.
»Wir hatten noch gar nicht über Ihre Blutgruppe gesprochen.«
»Nein …?«
»Sie sind ja leider Rhesus-negativ.« Er zog seinen Gummi-Handschuh aus, um sich an der Glatze zu kratzen.
»Ja, und was bedeutet das?«
»Dass Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder ein schwerbehindertes Kind auf die Welt bringen werden.«
»Was?« Ich klammerte mich an meinen Stuhl, um nicht runterzufallen.
Mein Herz setzte aus. Nein. Das konnte nicht sein. Ich starrte an die Decke und sah tausend grelle Flecken vor meinen Augen tanzen. Dr. Bauer saß inzwischen wieder an seinem Schreibtisch. Er sprach von Antikörpern und Blutgruppenunverträglichkeit und dass er in solch einem Fall zur Abtreibung rate. Er kritzelte etwas auf einen Zettel und riss ihn von seinem Block ab.
Abtreibung. Nein! Er redete weiter, doch ich hörte gar nicht mehr hin. Mein langersehntes Baby würde ich mir bestimmt nicht wegmachen lassen. Nur über meine Leiche!
»Hier. Das ist eine Überweisung an die Frauenklinik, Abteilung Risikoschwangerschaft.
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