Wenn nur dein Lächeln bleibt
und irgendwann qualvoll sterben.«
O Gott. Also doch. Wir hatten so gehofft, dass dieser Unsinn eine reine Fehldiagnose war!
»Wir müssen die Schädeldecke hier öffnen …« Dr. Dirks fuhr mit seinem Kugelschreiber die Konturen von Sabines Schädel nach, und es sah aus, als wollte er ein Ei köpfen. »Dann passen wir ihr einen Helm an, den sie ein paar Jahre tragen muss. So was kennen Sie vielleicht von Epileptikern.«
Wir schwiegen.
»Es kann allerdings auch passieren, dass Ihre Tochter einen Wasserkopf bekommt. Wissen Sie, was das ist?«
»Ja«, sagte ich tonlos. »Einige Kinder in Anjas Einrichtung haben einen Wasserkopf.«
»Wer ist Anja?«
»Sabines Schwester.«
»Einrichtung?«, fragte Dr. Dirks ahnungsvoll.
Ich kniff die Lippen zusammen und senkte den Kopf.
»Schauen Sie mal vor die Tür«, sagte Bernd. »Da sehen Sie sie.«
Dr. Dirks fiel die Kinnlade herunter, als er Anja sah.
Sie saß verkrampft in ihrem Rollstuhl, lallte, verdrehte die Augen, und Speichel lief ihr aus dem Mund.
Dr. Dirks wurde blass. »Wo wurde dieses Kind geboren?«
»Hier.« Bernds Augen waren grau und schmal.
»Moment bitte! Jetzt will ich es aber genau wissen.« Dr. Dirks ging energisch zum Aktenschrank an der Wand und wühlte darin herum, bis er Anjas Geburtsakte gefunden hatte.
»Dieser Fall ist mir allerdings bekannt«, sagte er und nickte bedächtig. »Sauerstoffmangel während der Geburt.« Er schaute uns mitleidig an. »Sie haben viel zu lange in den Wehen gelegen, Steißlage und fast eine Totgeburt. Wiederbelebung in letzter Sekunde.« Er nahm seine randlose Brille ab und wischte sich müde über die Augen. »Da hat es Sie aber ganz schön schwer getroffen. Und jetzt auch noch das andere Kind.«
»Moment!«, sagte Bernd und griff nach der Akte. »Sie WUSSTEN davon? Es ist AKTENKUNDIG ?!«
»Mir hat man Anja damals mit den Worten übergeben, sie sei ein völlig gesundes, normales Kind«, entrüstete ich mich. »Man hat mich ahnungslose junge Frau belogen und mit dem Kind alleingelassen!«
»Bitte senken Sie Ihre Stimme!« Der Arzt sah sich schuldbewusst um. »Das tut mir alles sehr leid für Sie …«
»Ja glauben Sie denn, dass wir zu dieser Klinik noch Vertrauen haben?«, brüllte Bernd und knallte die Geburtsakte auf seinen Schreibtisch. »Ich will hiervon eine Kopie! Das wird Folgen für Sie haben!«
Der Arzt riss die Akte abrupt an sich, steckte sie zurück in den Schrank und ließ die Rolltür herunter. Dann drehte er den Schlüssel zweimal im Schloss.
»Jetzt geht es ausschließlich um Ihre Tochter Sabine«, sagte er knapp. »Wir lassen sie zur Beobachtung eine Woche hier.«
»Zur BEOBACHTUNG !«, sagte Bernd scharf. »Sie werden sie NICHT operieren. Und wenn Sie ihr den Schädel aufmeißeln, sind Sie ein toter Mann!«
Ich sah erschrocken zu ihm auf. Dasselbe hätte ich auch gern gesagt!
»Wir holen zuerst eine andere Meinung ein.«
Zu unserem Erstaunen streckte Dr. Dirks seine Hand aus und reichte sie uns. »Versprochen«, sagte er und sah uns mit aufrichtigem Bedauern in die Augen. »Wir rühren die Kleine nicht an, bevor Sie nicht Ihr schriftliches Einverständnis gegeben haben. Holen Sie in aller Ruhe eine zweite Meinung. Sie haben mein Wort.«
Zu Hause hängte Bernd sich ans Telefon. Er rief alle seine Kunden an, bei denen er jemals etwas repariert oder ein Ersatzteil aufgetrieben hatte. Unsere Stadt war voll von dankbaren Menschen, bei denen Bernd noch was guthatte.
Nach kurzer Zeit hatte er bereits einen Kinderchirurgen an der Strippe, der sogar einen richtig großen Namen hatte: Prof. Dr. Günther Frankl. Doch der war sicherlich nur für die obersten Partei-Bonzen-Kinder da. Von so einer Koryphäe wurden parteilose Nicht-Genossen bestimmt nicht behandelt.
»Wie ich höre, haben Sie den Elektroherd meiner Nichte wieder hingekriegt«, meinte der Professor, und man hörte ihn am Telefon regelrecht schmunzeln. »Was kann ich für Sie tun?«
Ich hörte atemlos mit, was Bernd dem Kinderspezialisten haarklein erzählte.
»So etwas kann tatsächlich vorkommen, aber ich kann Sie insofern beruhigen, dass sich diese Sache oft von ganz alleine auswächst«, beruhigte ihn der Professor. »Und noch etwas: Wenn hier in dieser Stadt jemand an einem Kinderschädel herumoperiert, dann bin ich das.«
Das flößte uns tatsächlich erst mal Vertrauen ein.
»Bringen Sie das Kind so schnell wie möglich zu mir«, schlug Prof. Frankl freundlich vor. »Oder wissen Sie was? Ich komme in die Klinik, in der
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