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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lind
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zu.
    Dahinter hörte ich sie verzweifelt schluchzen. Ich schob ihr Anja als Trösterin hinein und lauschte dann eine Weile an der Tür. Wenn Sabine ihre Wut an Anja ausließ, musste ich natürlich eingreifen.
    Doch das Gegenteil war der Fall. Sabine machte Anja zu ihrer Verbündeten:
    »Was denkst du, Anja? Unsere Mama ist ja wohl die blödeste auf der Welt!«
    Die Antwort war ein zustimmendes Jauchzen.
    Nichts ist so erlabend wie ein Elternabend.
    Natürlich hatte sich herumgesprochen, dass wir einen Zombie zu Hause hatten, der kleine Kinder erschreckt. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Und auf Anja, die keiner Fliege etwas zuleide tat, auch nicht. Letztlich durfte auch Sabine nicht darunter leiden und möglicherweise ausgeschlossen werden.
    Ich hatte mich extra in Schale geworfen. Beim Ta gesordnungspunkt »Verschiedenes, Unnötiges, Unter bliebenes« meldete ich mich tapfer. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Ich unterdrückte einen Anflug von Panik. Dies hier musste ich für Sabine durchstehen! Ich räusperte einen dicken Kloß weg und erklärte freimütig vor versammelter Elternschaft, was es mit unserer Anja auf sich hatte.
    »Sabine würde sich über Kinder, die zum Spielen kommen, sehr freuen«, beschloss ich meinen Vortrag.
    Am nächsten Nachmittag klingelte es erneut an der Wohnungstür, und ich prallte überrascht zurück: Da standen gleich acht Kinder auf der Matte, und alle hatten sie ein Geschenk für Anja mitgebracht.
    Sabine entwickelte aber auch ganz raffinierte Tricks, um Anja für ihre Interessen zu gewinnen. Als wir einmal bei meiner Schwester zum Kaffeetrinken waren, die natürlich nicht auf unsere beiden herumferkelnden kleinen Wildschweine eingestellt war, und bei der sich Sabine zu Tode langweilte, kniff sie Anja ins Bein: »Los, Anja, fang schon an zu schreien, dann können wir nach Hause gehen!«
    Auch waren ihre Kleinemädchengeheimnisse bei der Schwester gut aufgehoben. Anja konnte ja nicht petzen.
    Später spürten wir Eltern immer häufiger Sabines Bedürfnis, auch mal die Nummer eins zu sein. Sie konnte als gesundes, sportliches Mädchen nicht im mer nur Rücksicht auf ihre behinderte Schwester neh men. Bernd nahm sie an den Wochenenden regelmäßig mit auf Wanderungen, Fahrradtouren oder Besichtigungsfahrten. Sie liebten es, auf dem Fluss zu rudern oder zelten zu gehen. Das Wort Freizeitgestaltung war mir ohnehin fremd, ich genoss es in dieser Zeit, einfach mal wieder mit Anja allein zu sein. Wir machten es uns vor dem Fernseher gemütlich, schlemmten Pudding und Kakao und warteten neidlos auf unsere Wochenendausflügler. In aller Ruhe auf dem Sofa sitzen und einfach nur durchatmen war alles, was ich mir wünschte.

23
    »Frau Hädicke, sind Sie das?«
    Die Stimme der Betreuerin aus Anjas Tagesstätte. Sofort brach mir der Schweiß aus. Bitte KEIN Krampfanfall, KEIN Notarztwagen, KEINE Einweisung ins Krankenhaus! Ich saß an meinem neuen Arbeitsplatz und umklammerte den Telefonhörer so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    »Was ist passiert?«
    »Das Vorderrad von Anjas Rollstuhl ist kaputt.«
    Vor lauter Erleichterung fing ich an zu lachen. »Und das ist alles?«
    »Ja, aber wir können Anja nicht mehr transportieren«, sagte die Betreuerin bedauernd. »Und Sie natürlich auch nicht mehr! – Meinen Sie, Sie können das regeln?«
    Ich holte tief Luft. »Natürlich. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Ich wappnete mich innerlich und wählte die Nummer der Sozialversicherung. Hier hatte ich damals um den Rollstuhl gekämpft. Auch diesmal würde ich nicht betteln, nicht winseln und nicht zu Kreuze kriechen.
    »Hädicke, meine Sozialversicherungsnummer ist 5923, der Rollstuhl hat die Marke … das Vorderrad muss ersetzt werden.«
    »Geht nicht!«, blaffte eine Frauenstimme am Telefon. Es war genau dieselbe von damals, die klammheimlich die Schokolade und die Seidenstrümpfe vom tauben Opa eingesackt hatte! »Haben wir nicht. Ist ein West-Artikel.«
    Ah ja. Und die haben wir ja nicht. Auch nicht in deiner Schublade!, dachte ich verärgert und: Glaub ja nicht, dass ich dir Honig ums Maul schmiere, du korrupte, machtbesessene Zimtzicke. Nur weil du in dei ner Uniform steckst wie eine Wurst in der Pelle, bist du nicht mehr wert als ich. Und nur weil ich ein behin dertes Kind habe, bin ich nicht weniger wert als du.
    Ich atmete tief ein und wieder aus und befahl knapp: »Geben Sie mir Ihren Vorgesetzten.«
    »Das fällt mir gar nicht ein. Wie kommen Sie darauf, dass ich

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