Wenn nur dein Lächeln bleibt
dritten Person von ihr sprechen.
»Wann bekommt sie ihren Saft?«
»Wie oft muss man ihr die Windeln wechseln?«
Frau Gärtner hingegen ging gleich in die Hocke, nahm Anjas Hände, streichelte sie und sprach freundlich auf Anja ein.
»Ich kann mir vorstellen, dass du dich hier sehr wohlfühlen wirst«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Wir haben hier einen Ziegenstall, und ob du es glaubst oder nicht: Das ist der Lieblingsort unserer Zöglinge. Dort zwischen den Bäumen haben wir eine Schaukel angebracht, und da sitzt immer einer drauf. Willst du mal sehen? Siehst du, da schaukelt der Axel! Und du bist dann als Nächste dran. Oder magst du erst mal nur zuschauen?«
Plaudernd schob sie Anja über den Hof, zeigte ihr die Räumlichkeiten und erklärte ihr, wo es zu essen gab.
»Hier ist die Küche, und jeder darf natürlich auch mal sein Lieblingsgericht bestellen. Was isst du denn am liebsten, Anja? Ich kann mir vorstellen, dass du wahnsinnig gern Pudding magst. Vanille oder Schoko? Siehst du, ich habe es gewusst! Du bist eine kleine Schokokatze.«
»Bernd, hier ist sie richtig«, sagte ich erleichtert.
»Jedenfalls wehrt sie sich kein bisschen«, stellte Bernd zufrieden fest. »Da siehst du mal, wie unkompliziert unsere Tochter ist.«
»Sie hat ja auch noch nie etwas Böses erfahren müssen, jedenfalls nicht, dass wir davon wüssten.«
»Ja, sie fürchtet nichts und niemanden!«
»Bis auf den Sandmann!«, stellte ich klar.
1996 erfüllten wir uns dann unseren Traum und kauften ein Haus. Zwei Jahre lang hatten wir nach dem passenden Heim gesucht: Es musste nämlich ziemlich viele ungewöhnliche Kriterien erfüllen! Sowohl Küche, Ess-, Wohn-, unser Schlafzimmer, Anjas Zimmer und das Bad mussten auf einer Ebene liegen. Wir konnten Anja, die inzwischen vierzig Kilo wog, schließ lich nicht ständig Treppen rauf- und runterschlep pen! Außerdem mussten wir sie nachts hören können, wenn sie mal wach wurde. Ein Neubau kam aus Kostengründen nicht infrage, und so suchten wir nach einem Haus, das Bernd nach unseren Bedürfnissen umbauen konnte. In einer schönen ruhigen Wohngegend am Stadtrand von Halle fanden wir schließlich ein Winkelhaus mit großer Terrasse und sonnigem Garten. Es war wie für uns gemacht! Alle Räume, die wir für Anja und uns benötigten, lagen im Erdgeschoss. Sabine bekam ihr eigenes Reich mit eigenem Bad im Souterrain, wo auch mein Arbeitszimmer war. Mit seinen goldenen Händen und seinem nie versiegenden Ideenreichtum gestaltete Bernd ein richtiges Traumhaus.
Wir nutzten eine Reise, die Anja mit ihrer Fördereinrichtung machte, für den Umzug. Als Anja zurückkam, waren wir sehr gespannt, ob sie ihr neues Zuhause überhaupt annehmen würde. Wir hatten schon erlebt, dass sie an unbekannten Orten so lange schrie, bis wir sie wieder wegbrachten. Doch ihre Wiedersehensfreude war so groß, dass sie zunächst gar nicht merkte, wo sie sich befand. Es war ihr egal, Hauptsache, sie hatte ihre Eltern und ihre Schwester bei sich. Gerührt betrachteten wir unsere Tochter, die schier übersprudelte vor Begeisterung und Mitteilungsdrang.
Dann zeigten wir ihr behutsam ihr neues Zuhause und betonten immer wieder, dass sie jetzt ein eigenes Zimmer hatte. In der Mietwohnung hatte sie sich ja das Kinderzimmer mit Sabine geteilt.
Dieses Zimmer hatte ich besonders liebevoll eingerichtet. Der helle, freundliche Raum ist zwar nicht besonders groß, aber für Anjas Bedürfnisse perfekt. Rechts an der Wand steht ihr Bett mit einem hochfahrbaren Gitter und dem sogenannten Galgen, an dem behinderte Patienten sich normalerweise zum Sitzen hochziehen können. Da Anja diesen Galgen nicht nutzen kann, habe ich ihr viele glitzernde Ketten daran gehängt. Anja liebt es, den funkelnden Schmuck anzuschauen.
Links an der Wand befindet sich ein massives Holzregal mit den nötigen Utensilien für Anjas Pflege: Handtücher, Watte, Creme und Öl, und natürlich die Windeln.
Am Fußende des Bettes liegt eine Wickelauflage. Anja ist etwa 140 cm groß und füllt das Bett somit nicht ganz aus.
Der größte Clou war aber der Garten: Bernd hatte eine Hängematte für Anja installiert, und schon das Probeliegen fiel für unsere Madame höchst zufriedenstellend aus. Sie ließ es sich gerne gefallen, hin und her geschaukelt zu werden, und wir waren glücklich. Jetzt konnten wir ohne schlechtes Gewissen auf der Terrasse sitzen – die kommenden Sommer waren gerettet!
Dann zeigten wir Anja die Rollstuhlrampe, mit der Bernd die
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