Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft
wenn er ihn doch entdeckte. Die Begegnung im Mondschein beichten, um Willie ein Alibi zu verschaffen? Oder Willie einfach im Stich lassen? Doch das war eine müßige Frage, und die Antwort erfüllte ihn mit düsteren Vorahnungen. In den sieben Jahren seines Lebens hatten noch niemals so viele Probleme auf seiner Seele gelastet.
Die nächste und heikelste Frage war, ob Paps Mummi von seinem Picknick erzählen würde. Wenn ja, würde Mummi sich dann einen Vers darauf machen?
Nun, Paps hatte vor, morgen früh zu seinem Verleger nach London zu fahren. Wenn er erst einmal aus dem Hause war, war Gaylord sicher. Über einer Fahrt nach London würde Paps alle Nebensächlichkeiten vergessen, die vorher geschehen waren. Doch bis dahin war es noch eine lange Zeit.
Am nächsten Morgen verlief das Frühstück normal, jedenfalls so normal, wie es möglich war, wenn Paps einen Zug kriegen mußte. (Paps hielt nichts davon, mit dem Wagen in die Metropole zu reisen, seit er einmal in den brausenden Londoner Verkehr geraten und sich vorgekommen war wie eine Spinne, die auf das Abflußloch der Badewanne zugespült wird.)
Wenn Paps einen bestimmten Zug erwischen mußte, wurde er zum flatternden Nervenbündel.
«Herrgott noch mal!» fauchte Opa, als Jocelyn zum fünftenmal auf die Uhr sah. «Es ist doch bloß der Neun-Uhr-fünfundzwanzig von Shepherd’s Warning, kein Countdown in Cap Kennedy.»
Paps hörte nichts. «Ich muß weg», rief er, warf die Serviette auf den Tisch, sprang auf und stürzte zu Gaylords größter Erleichterung aus dem Zimmer.
Mummi eilte hinter ihm her. «Komm und gib deinem Vater einen Kuß zum Abschied», rief sie Gaylord zu. Gaylord folgte. Er fühlte sich schon so gut wie sicher. Er war überzeugt, daß Paps mit keinem Gedanken mehr an sein Picknick dachte.
«Auf Wiedersehen, Liebling», sagte Mummi.
Sie küßten sich zärtlich und wehmütig. Gewöhnlich fand Gaylord so etwas abstoßend, aber diesmal fand er es süß. Vielleicht, dachte er, war er im Grunde seines Herzens sentimental. Paps schoß zur Tür. «Jocelyn, du hast Gaylord noch keinen Kuß gegeben», rief May vorwurfsvoll.
«Ach, verflixt», rief Paps reumütig.
Gay lord gab keinen Pfifferling auf diesen väterlichen Kuß, aber er war immer dafür, es bis zur Neige auszukosten, wenn ein Erwachsener einmal bei einem Lapsus erwischt wurde. Prompt spielte er das arme, verlassene Waisenkind.
Paps warf einen Blick auf das todtraurige Jammer gesicht, sah auf die Uhr, kam zurück und küßte seinen verlorenen Sohn. «Bis bald, alter Knabe», sagte er. Und weil er das Versäumnis wieder gutmachen wollte, setzte er noch hinzu: «War’s schön beim Picknick gestern abend?»
«Picknick?» Mummi stutzte. «Was für ein Picknick?»
«Entschuldige, altes Mädchen», sagte Jocelyn. «Ich komm zu spät zum Zug. » Er verschwand. Mummi wandte sich an ihren Sohn. «Was für ein Picknick?» fragte sie erbarmungslos. Und Gaylord wußte, daß die Lunte angezündet war und munter brannte.
Dennoch - die Spielregeln mußten eingehalten werden, wie es sich gehörte. «Ich habe ein Picknick gemacht, Mummi», sagte er.
Nun, das hatte er ja auch, wenn man es recht besah, auch wenn Willie alles allein gegessen hatte.
«Woher hast du die Sachen gehabt?»
«Aus der Speisekammer, Mummi.»
«Also, Gaylord, das war sehr unrecht von dir! Wenn du mich fragst, kannst du alles bekommen. Aber ich wünsche nicht, daß du dir selbst etwas nimmst.»
Ein Hoffnungsfunke begann in Gaylords Brust zu glimmen. Wenn er Mummi bei diesem Thema halten konnte, würde sie sich vielleicht so tief hineinknien, daß sie darüber alle weiteren Fragen vergaß. Also sagte er fröhlich: «Das war wohl richtig gestohlen, was, Mummi?»
«Allerdings», sagte Mummi streng.
«Das tut mir leid, Mummi. Daran hatte ich nicht gedacht.»
Er wußte genau, was jetzt kommen würde: «Daran solltest du aber vorher denken!» Doch diesmal ließ Mummi die alte Platte nicht ablaufen. Sie schaute ihn vielmehr mit einem Blick an, der ihm höchst unbehaglich war. «Was hast du dir genommen?»
«Nur ein paar Rosinenbrötchen, Mummi, und eine Tüte voll...»
«Rosinenbrötchen?» rief Mummi. «Ich denke, du kannst Rosinenbrötchen nicht ausstehen.» Sie musterte ihn immer noch auf eine Art, die ihm unbehaglich war. «Gaylord», sagte sie gedehnt, «was hast du ausgeheckt?»
Gekränkte Unschuld. «Ich, Mummi? Nichts, Mummi!»
Es half nichts. Nun ja, er hatte es auch nicht anders erwartet. Aber er mußte
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