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Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Titel: Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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mußte arbeiten! Er konnte seine Zeit nicht mit sentimentalen Gedanken vertun, nur weil die Herbstzeitlosen welkten. Er hatte doch wohl genug Maienblüten gepflückt. Septemberblumen waren nichts für ihn.
    Er zog ein neues Blatt Schreibmaschinenpapier aus dem Kasten und entdeckte darunter ein zusammengefaltetes Briefchen. «Ich kann mich unmöglich vor den anderen von dir verabschieden. Ich bin heute nachmittag unten am Fluß. Könntest Du nicht kommen - nur für fünf Minuten?»
    Was machte man da? Am vernünftigsten wäre es wohl, May den Zettel zu zeigen, ihn dann zu zerreißen und überhaupt nicht zu reagieren. Aber... «Könntest Du nicht kommen - nur für fünf Minuten?» Nein, es wäre unfair, diesen Zettel einer anderen Frau zu zeigen. Selbst wenn es May war. Verflixt und zugenäht. Das war seine Sache, und er würde es schon recht machen. Er würde zum Fluß gehen und väterlich, mild und gütig zu ihr sein und sehr, sehr standhaft bleiben...
    Sie saß am Ufer im sonnengefleckten Schatten einer Weide und blickte unverwandt auf den Pfad, der durch die Wiesen führte. Als sie ihn kommen sah, erhob sie sich halb, um ihm entgegenzulaufen, doch er winkte ab. Es war nicht unbedingt nötig, daß alle Welt ihr Rendezvous bemerkte.
    Er kam näher, blieb vor ihr stehen und betrachtete sie gedankenvoll. Sie lächelte dankbar zu ihm auf und klopfte leicht mit der Hand auf den Platz an ihrer Seite. Sehr zögernd nur setzte er sich neben sie. Er steckte die Hände in die Taschen und fühlte das glatte, runde Holz seiner Pfeife und das weiche Leder des Tabakbeutels. Umständlich zog er beides aus den Taschen, stopfte seine Pfeife und zündete sie an. Jetzt fühlte er sich schon sicherer.
    Behaglich paffte er vor sich hin. Oder versuchte es vielmehr. Aber irgend etwas saß im Stiel fest. Die Pfeife blubberte wie ein Suppentopf und schmeckte wie Schierling. Die Pfeifenreiniger lagen in seiner Schreibtischschublade. Er suchte einen langen Grashalm, riß ihn aus und stocherte damit mühsam und vergebens im Mundstück herum. Das dürfte romantische Regungen abtöten, dachte er. Doch Jenny sah ihn mit schwärmerischen Blicken an und hauchte: «Ich sehe dir gern zu, wenn du deine Pfeife rauchst. Dann wirkst du so zufrieden.»
    «Jenny», sagte er, «du bist wirklich närrisch. Kind, du bist noch so jung und hast ein ganzes Leben vor dir. Dir einzureden, einen verheirateten Mann zu lieben, das ist wirklich das Schlimmste, was du machen kannst.»
    Sie schlang die Arme um die Knie und blickte über den Fluß hinweg. Sie schüttelte den Kopf. «Ich bilde es mir nicht ein», sagte sie.
    «Natürlich tust du das», sagte er rauh. «Einen jungen Griechengott solltest du lieben. So wie du aussiehst, brauchst du doch nur zu wählen. Und dann schau mich an. Ich bin spindeldürr und werde langsam alt, hübsch war ich nie, ich habe zwei Kinder und... und bin nur an meiner Frau interessiert», setzte er tugendhaft hinzu.
    «Ich liebe dich nun einmal», sagte sie. «Da kann man nichts machen.» Sie schaute immer noch über den Fluß. Dann kamen ihr plötzlich die Tränen, überraschender als ein Schauer im April. «O Gott», sagte Jocelyn. Alle Vorsicht war vergessen. Er legte den rechten Arm um sie. Mit der linken Hand drückte er ihren Kopf gegen den rauhen Tweed seiner Jacke. «War dein Vater ein bißchen wie ich?» fragte er sanft.
    Sie schüttelte den Kopf. Ihre Hand umklammerte sein knochiges Knie.
    «Ich denke, er war so doch - in gewisser Weise», sagte Jocelyn. Dann schwieg er und ließ sie weinen. Er hätte fast selbst geweint. Der Kummer dieser Welt. Die Tränen dieser Welt - nicht nur die Tränen über einen echten Verlust wie den ihres Vaters, sondern auch die Tränen über einen eingebildeten Schmerz wie ihre Liebe zu ihm. Der Kummer dieser Welt war wie ein großer Berg. Und dieser Berg warf einen Schatten aus Angst und Jammer und Einbildung, der tausendmal größer war als der Berg selbst. Jocelyn ließ sie weinen und wünschte sich, er dürfte es auch, um noch einmal zu erleben, wie die Tränen den Schmerz und den Kummer der Welt hinwegspülten.
    Endlich versiegten ihre Tränen von selbst. Doch noch klammerte sie sich an ihn, das Gesicht in den Falten seiner Jacke verborgen. Er zog ein Taschentuch heraus und hielt es ihr hin. Sie nahm es und trocknete sich die Augen, den Kopf tief gesenkt.
    Nach einer Weile sagte er: «Hast du schon mal den gesehen, oder oder ? »
    Die Frage

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