Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
davor geekelt hatte. Sie spielte Marks schmutzige Spielchen nur deshalb mit, weil sie sich vor den Folgen fürchtete, wenn sie sich weigerte. Sie hätte genauso gut eine Nutte werden können, schrieb sie an einer Stelle, dann wäre sie wenigstens dafür bezahlt worden.
Sie war ganz klar neidisch auf Ellens unbekümmertes Liebesleben. In einer Passage schlüpfte sie in die Rolle von Josie, die während eines Besuchs bei ihrer Schwester sagte:
»Du treibst es wohl die ganze Zeit? Ich möchte bloß wissen, warum dir so viel daran liegt. Und dabei sind deine Typen lauter dröge Schlappschwänze. Mich wundert es, dass sie es überhaupt bringen.«Aus Ellens Perspektive schrieb sie zu dem Thema:Josie war so total verkorkst, dass sie nicht erkannte, was ihr fehlte: ein netter, liebevoller Mann, der sie respektierte. Dann wäre ihr klar geworden, warum ich so viel Spaß am Sex hatte. Aber sie war, wohl weil sie durch Violet oder Mark entsprechend programmiert worden war, unfähig, einen Mann nach anderen Dingen als nach seinem Bankkonto oder seiner gesellschaftlichen Stellung zu beurteilen. Eine dicke Brieftasche allein macht meiner Erfahrung nach jedoch noch keinen guten Liebhaber.In dem Manuskript fand sich auch die Erklärung für das abrupte Ende von Josies Modelkarriere.
Mark hatte offenbar eine Affäre mit einer verheirateten Frau gehabt, Penelope Cartwright, jahrelang Besitzerin der größten Londoner Modelagentur. Ihre Beziehung hatte begonnen, noch bevor er Josie kennen gelernt hatte. Als Penelope sich endlich zur Trennung von ihrem Mann entschloss, musste Mark Josie loswerden.
Mark war nicht nur skrupellos, sondern auch bösartig. Da er nichts mehr an Josie verdienen würde, wollte er dafür sorgen, dass das auch keinem anderen möglich war. Mark hatte beträchtlichen Einfluss in der Branche, und er nutzte ihn weidlich aus. Kein Fotograf, keine Agentur buchte Josie für weitere Aufträge. Er ging sogar so weit, der Presse pikante Geschichten über sie zuzuspielen, bis ihr Ruf schließlich völlig ruiniert war.
Josies Ersparnisse waren bald aufgebraucht. Sie konnte die Miete nicht mehr bezahlen, musste in immer billigere Viertel ziehen. Sie hatte nur noch Ellen.
Ellen war der einzige Mensch, der sie bedingungslos liebte, der unerschütterlich zu ihr hielt. Daisy weinte, als sie diese Passagen las. Wie konnte Josie auch nur daran denken, Ellen zu töten, nach allem, was ihre Schwester für sie getan hatte?
Vielleicht hatte Josie zu dem Zeitpunkt, als sie dies niederschrieb, die Reue gepackt, vielleicht hielt sie sich selbst sogar für verrückt, denn sie bekannte sich ganz offen zu Dingen, die die meisten Menschen tunlichst verschwiegen hätten. Sie hatte Ellen mehrmals Geld gestohlen; oft stand sie unangemeldet mitten in der Nacht vor ihrer Tür, blieb einige Tage und verschwand dann ohne ein Wort. Sie zog sich eine Geschlechtskrankheit zu, und es war Ellen, die sie zum Arzt begleitete. Bei einer Razzia in einer Wohnung in Knightsbridge wurde Josie bei eindeutigen Spielchen mit fünf Männern erwischt. Sie drehte einige Pornos und posierte nackt für verschiedene Magazine, und trotzdem war Ellen immer für sie da.
Josie flüchtete sich aber nicht nur zu ihrer Schwester, sondern fuhr auch häufig nach Cornwall zurück.
Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als von unseren Eltern akzeptiert und anerkannt zu werden. Vielleicht hätte sie sie für sich gewonnen, wenn sie still und bescheiden aufgetreten wäre, aber sie musste ja jedes Mal in den ausgefallensten Klamotten erscheinen; sie verpfändete sogar irgendetwas, wenn sie kein Geld hatte, nur um sich etwas Neues kaufen zu können. Zu Hause führte sie sich wie ein Filmstar auf, hatte spezielle Essenswünsche und blieb den halben Tag im Bett. Anschließend fuhr sie nach Falmouth und zog eine Schau für ihre ehemaligen Schulkameraden ab. Und sie sorgte immer dafür, dass die Lokalpresse von ihren Besuchen erfuhr. Das machte für sie den Reiz ihrer Heimatstadt aus: Wenigstens dort galt sie noch als Berühmtheit.Daisy grübelte über das Gelesene nach. Josie schien genauso an der Farm gehangen zu haben wie Ellen, wenn auch aus anderen Gründen. Ellen hatte das Land, die Tiere und die Natur geliebt, für Josie hingegen hatte die Farm Sicherheit, Geborgenheit und möglicherweise jene soziale Stellung bedeutet, die sie nirgends sonst erreicht hatte.
Auf der Farm änderte sich nie etwas, weder der Blick noch der Mangel an Komfort noch die Missbilligung ihrer
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