Wenn Werwolf-Pranken streicheln
kalten Augen fixierten das Mädchen, und ihm kam es so vor, als hätte er die Frage genau verstanden.
»Habe… habe ich recht?«
Vielleicht war es ein Nicken, das er andeutete. Jedenfalls drang auch ein leises Fauchen aus seiner Schnauze.
Brendas Lippen zuckten. »Ich… ich weiß nicht, wo sie ist. Sie ist weg. Man hat sie entführt. Männer, verstehst du? Verbrecher…«
Der Werwolf stand unbeweglich und lauschte den Worten des Kindermädchens. Brendas Angst verflog allmählich. Der Werwolf war nicht in ihr Zimmer gekommen, um sie zu töten. Er wollte etwas anderes. Es ging ihm um Gwen…
In dem Interview hatte sie davon gesprochen, daß sie sich bei Vollmond mit den Bestien traf, die gleichzeitig ihre Großeltern waren. Sie hegte starke Sympathie für sie, und jetzt war sie nicht mehr da. Der Werwolf suchte vergebens.
Brendas Angst wich. Ihr tat der unheimliche Besucher fast schon leid, als aus dessen Maul ein klagendes Heulen drang. Nicht sehr laut, eher wie eine wehmütige Melodie.
Dann schüttelte er seinen Schädel, und das Fell bewegte sich dabei, als würde der Wind darüber hinwegstreichen.
»Ich kann nichts tun!« flüsterte Brenda. »Es ist vorbei, verstehst du? Gwen ist nicht mehr da!«
Die Bestie stand starr, als würde sie den Worten des Kindermädchens lauschen. Aber sie hatte den Kopf gedreht und starrte auf die Tür. War dort etwas?
Urplötzlich sprang sie auf Brenda zu. Die riß noch die Hand hoch, aber der Werwolf stieß sie zur Seite, um freie Bahn zu haben. Der nächste Satz brachte ihn auf den Balkon.
Ob er wieder nach unten kletterte, sah Brenda nicht. Sie hatte vor der Tür Schritte auf dem Flur gehört, jemand klopfte hart gegen die Zimmertür, die noch in der gleichen Sekunde nach innen gestoßen wurde. Das Flurlicht flutete in den Raum, und auf der Schwelle stand wie ein Denkmal Cole Harper…
Auch diesmal sagte Brenda Rattigan nichts. Sie schaute den Mann an, dessen linke Gesichtshälfte zum Teil im Schatten lag. Das Brillenglas funkelte düster, und ebenso düster kam ihr die Stimmung des Mannes vor, der sich umschaute, noch immer kein Wort gesprochen hatte und auch schweigend den Raum betrat.
Mit dem Ellbogen berührte er die Tür und schlug sie zu. Dann ging er zu einem Stuhl und ließ sich darauf nieder. »Schließen Sie die Balkontür«, sagte er.
Brenda hatte nie widersprochen. Das tat sie jetzt zum erstenmal. Sie wußte selbst nicht, woher sie den Mut nahm. Möglicherweise hatte ihr der Besuch des Werwolfs die entsprechende Kraft gegeben. »Warum? Ich liebe frische Luft.«
Cole Harper sagte nichts. Er stand dann auf und tat es selbst. Allerdings lehnte er die Tür nur an, schaute nicht nach draußen, und vom Besuch der Bestie hatte er nichts mitbekommen. Nur beim Umdrehen sagte er:
»Was ist das für ein Geruch hier im Raum?«
»Ich rieche nichts.«
»Ach, wirklich nicht?« Er nahm wieder Platz. »Es riecht hier streng. Schon widerlich.«
»Das muß dann von draußen hereingeweht sein.«
»Möglich.« Harper schaute das Kindermädchen an. Brenda traute sich nicht, sich zu setzen. Die Blicke des Mannes bereiteten ihr ein körperliches Unwohlsein. Sie waren eiskalt und gleichzeitig auch taxierend. Die erste Frage klang wie ein Peitschenschlag. »Wie lange sind Sie schon bei uns, Brenda?«
Was sollte das? Sie überlegte. Sehr vorsichtig gab sie die Antwort.
»Zweieinhalb Jahre, Sir.«
Er nickte. »Und wie hat es Ihnen bei uns gefallen?«
»Ich hatte keinen Grund zur Klage.« Jetzt log sie ein wenig. Ihr Verhältnis zu den Harpers war nie gut gewesen, ausgenommen die Beziehung zu Gwen.
»Also keinen Grund zur Klage.« Harper stand auf. Es sah so aus, als wollte er auf das Mädchen zulaufen, dann überlegte er es sich anders, drehte sich um und wandte Brenda den Kücken zu. »Wenn Sie so lange bei uns sind und keinen Grund zur Klage haben, dann frage ich mich, weshalb sie uns verraten haben.«
Brenda schüttelte den Kopf. Sie begriff nicht. »Wieso sollte ich Sie verraten haben?«
Cole Harper fuhr herum. »Das will ich Ihnen sagen.« Seine Stimme klang schneidend. »Sie, Brenda, stecken mit den Kidnappern meiner Tochter unter einer Decke!«
Das Kindermädchen erwiderte nichts. Nur Gedanken schössen durch ihren Kopf. Einer von uns muß verrückt sein, dachte sie. Ja, einfach verrückt. Das kann nicht sein. Der Mann kann nicht mehr normal sein.
»Sie sagen nichts, Brenda?«
»Nein, das kann ich nicht.«
Er streckte seinen Arm aus. Wie eine Lanzenspitze
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