Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
wie gesagt – kaum rechtzeitig aus dem Labor schaffen. Aber natürlich solltest du auch auf diesen Fall vorbereitet sein.«
Mit ›vorbereitet‹ meinte Cal, daß Lou seine Pistole mitnehmen sollte. Er hatte sie zwar seit sieben Jahren nicht mehr abgefeuert, doch manche Dinge verlernte man eben nie. Wie Radfahren oder Schwimmen, dachte Lou. In letzter Zeit bevorzugte er ein scharfes Messer.
Das Farmhaus lag in einer einsamen, bewaldeten Gegend. Auch wenn jemand die Explosion hörte, versicherte ihm Cal, würde er genug Zeit haben, um sich aus dem
Staub zu machen und die Hauptstraße zu erreichen, ehe Polizei und Feuerwehr eintrafen. Lou versuchte, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen, denn Cal erzählte ihm Dinge, die er schon längst wußte. Schließlich war er oft genug beim Farmhaus gewesen und kannte sich in der Umgebung aus. Außerdem konnte er sehr wohl auf sich selbst aufpassen.
Um fünf verließ Lou seine Wohnung. Das war zwar viel zu früh, doch Cal war ein Freund von Pünktlichkeit. Damit alles plangemäß ablief, mußte man auch mögliche Verkehrsstaus und andere Verzögerungen einkalkulieren. »Du brauchst genug Zeit, um dein Auto so zu parken, daß man es vom Haus aus nicht sehen kann, bevor Fran Simmons eintrifft«, hatte Cal ihm eingeschärft.
Als Lou in den Wagen stieg, tauchte Cal hinter der Garage auf. »Ich wollte mich nur von dir verabschieden«, sagte er mit einem freundlichen Lächeln. »Jenna verbringt den Abend bei Molly Lasch. Komm doch auf einen Drink vorbei, wenn du wieder da bist.«
Nach solchen Aufträgen darf ich dich auch mal Cal nennen, dachte Lou. Herzlichen Dank, Kumpel. Er ließ den Motor an und machte sich auf den Weg zum Merrit Parkway, der ihn nach West Redding bringen würde.
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F ran hatte den Eindruck, daß sich Mollys Zustand über Nacht verschlechtert hatte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und stark erweiterte Pupillen. Ihre Lippen und ihre Haut waren kreidebleich, und sie sprach so leise und zögerlich, daß Fran sie nur mit Mühe verstehen konnte.
Sie setzten sich ins Arbeitszimmer, und Fran fiel auf, daß Molly sich immer wieder umblickte, als hätte sie den Raum noch nie zuvor gesehen.
Sie wirkt so schrecklich einsam und verloren, dachte Fran. Offenbar macht sie sich große Sorgen. Wenn ihre Eltern doch nur bei ihr sein könnten. »Molly, ich weiß, es geht mich nichts an«, sagte sie. »Kann deine Mutter deinen Vater nicht für ein paar Tage allein lassen und zu dir kommen, damit du ein wenig Gesellschaft hast?«
Molly schüttelte den Kopf, und ihre Stimme klang kurz ein wenig lebhafter. »Das kommt überhaupt nicht in Frage, Fran. Wenn mein Vater keinen Schlaganfall gehabt hätte, wären die beiden jetzt hier. Das weiß ich ganz genau. Ich fürchte, der Schlaganfall war schwerer, als sie zugeben wollen. Ich habe mit ihm gesprochen, und er hört sich schon wieder ziemlich kräftig an. Aber ich habe ihnen schon genug angetan. Wenn sich seine Krankheit jetzt verschlimmern würde, während meine Mutter hier ist, würde ich mir mein Leben lang Vorwürfe machen.«
»Glaubst du, sie werden es so leicht wegstecken, wenn sie dich verlieren?« fragte Fran geradeheraus.
»Was meinst du damit?«
»Ich habe schreckliche Angst um dich, und Philip geht es genauso – Jenna sicherlich auch. Laß es mich einmal so ausdrücken: Die Chancen stehen recht hoch, daß du am Montag in Haft genommen wirst.«
»Endlich redest du nicht mehr um den heißen Brei herum.« Molly seufzte. »Danke, Fran.«
»Hör zu. Meiner Ansicht nach wirst du wahrscheinlich rasch wieder freikommen, selbst wenn du noch einmal für kurze Zeit zurück ins Niantic-Gefängnis mußt, nur diesmal nicht auf Bewährung, sondern mit einem kompletten Freispruch.«
»Es war einmal…«, murmelte Molly. »Ich wußte gar nicht, daß du eine Schwäche für Märchen hast.«
»Schluß damit!« rief Fran. »Molly, ich lasse dich nur ungern allein, aber ich kann jetzt nicht bleiben. Ich habe einen Termin, der für viele Leute – vor allem für dich – äußerst wichtig ist. Sonst würde ich nicht gehen. Weißt du warum? Weil ich vermute, daß du dich bereits selbst aufgegeben hast. Offenbar hast du beschlossen, gar nicht erst vor dem Bewährungsausschuß zu erscheinen.«
Molly zog zwar fragend die Augenbrauen hoch, widersprach aber nicht.
»Bitte, Molly, vertrau mir. Wir werden der Wahrheit auf den Grund kommen, davon bin ich überzeugt. Du mußt nur an mich und Philip glauben. Auch wenn es dir
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