Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
unter gewaltigem finanziellem Aufwand eine Herz- oder Lebertransplantation erhalten hat, die gescheitert ist. Ist es dann nicht an der Zeit, daß
dieser Mensch sich von der Welt verabschiedet, Miss Simmons? Offensichtlich ist es Gottes Wille, warum sollten wir also weiter gegen das Unvermeidliche ankämpfen? Natürlich wird der Betroffene anderer Ansicht sein, und die Angehörigen werden sicher vor Gericht ziehen, um eine Weiterführung der Behandlung durchzusetzen. Und deshalb sollte es eine Instanz geben, die befugt ist, das unausweichliche Ende zu beschleunigen, ohne das mit der Familie und dem Patienten erörtern zu müssen, so daß dem Krankenhaus keine weiteren Kosten entstehen. Diese Instanz muß die Entscheidung objektiv und nach medizinischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten fällen können.«
Ungläubig lauschte Fran dieser unerhörten Theorie. »Soll das heißen, weder der Patient noch die Angehörigen sollten ein Mitspracherecht haben oder gar davon wissen, wenn beschlossen wird, das Leben des Betroffenen zu beenden, Dr. Lowe?«
»Genau.«
»Und fordern Sie auch, daß behinderte Menschen als ahnungslose und unfreiwillige Versuchskaninchen für die Experimente Ihrer Kollegen herhalten sollen?«
»Meine Liebe«, erwiderte er herablassend. »Ich habe hier ein Video, das Sie sich unbedingt ansehen müssen. Vielleicht verstehen Sie dann, warum meine Forschungen so wichtig sind. Gewiß haben Sie von Natasha Colbert gehört, einer jungen Dame aus einer prominenten Familie.«
Mein Gott, jetzt wird er zugeben, was er ihr angetan hat, dachte Fran.
»Aufgrund eines bedauerlichen Mißgeschicks erhielt Miss Colbert anstellte der üblichen Salzlösung das lebensbeendende Medikament, das für eine chronisch kranke alte Frau vorgesehen war. Ergebnis war ein irreversibles Koma, das über sechs Jahre andauerte. Ich habe an einem Medikament geforscht, um dieses Koma rückgängig zu
machen, und gestern Nacht hatte ich – wenn auch nur für einen kurzen Moment – endlich Erfolg. Aber das ist nur der Anfang eines fantastischen Durchbruchs in der Wissenschaft. Jetzt möchte ich Ihnen gerne den Beweis zeigen.«
Fran beobachte, wie Dr. Lowe eine Videokassette in den Recorder einlegte, der an einen Breitwandbildschirm angeschlossen war.
»Ich sehe sonst nie fern«, erklärte er, »und ich besitze dieses Gerät nur zu wissenschaftlichen Zwecken. Sie werden nun die letzten fünf Minuten in Natasha Colberts Leben sehen. Mehr brauchen Sie nicht, um zu begreifen, was ich in all den Jahren hier erreicht habe.«
Fassungslos starrte Fran auf den Bildschirm, auf dem Barbara Colbert gerade den Namen ihrer sterbenden Tochter murmelte.
Als Natasha sich bewegte, die Augen aufschlug und zu sprechen begann, schnappte Fran erschrocken nach Luft. Ihr war klar, wie sich Dr. Lowe über diese Reaktion freute.
»Sehen Sie, sehen Sie!« rief er.
Entsetzt beobachtete Fran, wie Tasha ihre Mutter erkannte, die Augen schloß, sie wieder öffnete und um Hilfe bat.
Bei dem Anblick, wie Barbara Colbert ihre Tochter anflehte, am Leben zu bleiben, konnte sie die Tränen nicht unterdrücken. Dann hörte sie wie Dr. Black leugnete, daß Natasha wieder das Bewußtsein erlangt hatte, und ohnmächtige Wut stieg in ihr auf.
»Länger als eine Minute konnte sie nicht überleben. Das Medikament ist sehr stark«, erklärte Dr. Lowe und spulte das Band zurück. »Doch eines Tages wird es medizinischer Alltag sein, Menschen aus dem Koma zu holen.« Er steckte die Kassette in die Tasche. »Was halten Sie davon, meine Liebe?«
»Ich finde es einen Jammer, Dr. Lowe, daß Sie Ihre eindeutig überragende Intelligenz dazu einsetzen, angeblich
lebensunwertes Leben zu vernichten, anstatt Menschenleben zu erhalten und Leiden zu lindern.«
Lächelnd stand er auf. »Wissen Sie, inzwischen denken viele vernünftige Menschen wie ich. Und nun zeige ich Ihnen mein Labor.«
Fran, die sich in Gegenwart dieses Mannes äußerst beklommen und unwohl fühlte, folgte Lowe die schmale Treppe hinauf. Natasha Colbert, sagte sie sich zornig. Sie wurde von einem dieser ›äußerst wirksamen Medikamente‹ in diesen Zustand versetzt. Auch Tims Großmutter, die so gerne noch ihren achtzigsten Geburtstag gefeiert hätte. Und Barbara Colbert, die zu klug war, um Lowes skrupellosem Schüler zu glauben, daß sie an Wahnvorstellungen litt. Vielleicht hat er sogar Billy Gallos Mutter auf dem Gewissen. Wie viele noch? fragte sie sich.
Im oberen Stockwerk war es düster, doch als
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