Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
Gib zu, du willst auch nicht, daß es platzt.«
Lou Knox, Cals langjähriger Chauffeur und Mädchen für alles, sprang aus dem Wagen, als er Jenna aus dem Haus kommen sah. Er hielt ihr die Autotür auf, schloß sie hinter ihr und nahm auf dem Fahrersitz Platz.
»Guten Morgen, Mrs. Whitehall. Offenbar sind wir spät dran. Wenn wir den Zug verpassen, kann ich Sie ja in die Stadt fahren.«
»Nein, Cal braucht das Auto, und ich habe keine Lust auf den Stau«, entgegnete Jenna barsch. Manchmal ging ihr Lous aufgesetzter Frohsinn ziemlich auf die Nerven. Cal hatte ihn mit in die Ehe gebracht. Lou und er waren zusammen in irgendeinem Nest zur Schule gegangen, und als Cal vor fünfzehn Jahren nach Greenwich
zog, hatte er seinem alten Freund diese Stelle angeboten.
Jenna war die einzige, die wußte, daß Cal und Lou sich von früher kannten. »Lou ist schlau genug, um für sich zu behalten, daß wir mal im selben Schulchor waren«, pflegte Cal zu sagen.
Sie mußte Lou zugutehalten, daß er ein gutes Gespür hatte. Er merkte sofort, daß sie sich nicht unterhalten wollte, und stellte leise den Klassiksender ein, den sie am liebsten hatte. Jenna hörte immer diesen Sender, wenn sie sich nicht gerade für die Nachrichten interessierte.
Lou war wie Cal sechsundvierzig Jahre alt. Er war zwar gut in Form, hatte aber nach Jennas Ansicht etwas Weichliches an sich. Außerdem war er für ihren Geschmack zu servil und zu sehr darum bemüht zu gefallen. Sie traute ihm nicht über den Weg. Selbst auf der kurzen Fahrt zum Bahnhof hatte sie den Eindruck, daß er sie im Rückspiegel neugierig beobachtete.
Ich habe mein Bestes getan, dachte Jenna, als sie das Gespräch mit ihrem Mann nochmals Revue passieren ließ. Aber Cal wird Molly auf keinen Fall bei der Suche nach Annamarie Scalli helfen. Obwohl sie ärgerlich auf ihn war und ihm wegen seines herablassenden Tons grollte, mußte sie zugeben, daß sie ihn insgeheim bewunderte.
Cal hatte Macht und Charisma. Vom Angestellten bei einer kleinen Computerfirma, die er als Tante-Emma-Laden bezeichnete, hatte er es zum allseits geachteten Geschäftsmann gebracht. Im Gegensatz zu anderen Unternehmern, die Schlagzeilen machten, wenn sie Vermögen erwirtschafteten und wieder verloren, hielt Cal sich lieber im Hintergrund. Dennoch genoß er in der Finanzwelt einen guten Ruf, und wer sich ihm in den Weg stellte, mußte sich warm anziehen.
Die Macht war es, die Jenna ursprünglich an ihm angezogen hatte und die sie auch weiterhin faszinierte. Sie
hatte Freude an ihrem Beruf als Teilhaberin einer angesehenen Anwaltskanzlei, eine Position, die sie einzig und allein ihrer eigenen Leistung verdankte. Auch wenn sie Cal nie begegnet wäre, hätte sie Karriere gemacht, und dieses Wissen verlieh ihr das Gefühl, auch etwas für sich selbst erreicht zu haben. Cal bezeichnete die Kanzlei zwar als ›Jennas kleines Hobby‹, doch sie wußte, daß er sie deshalb respektierte.
Gleichzeitig jedoch war sie gerne Mrs. Calvin Whitehall und genoß die gesellschaftliche Stellung, die ihr dieser Name verlieh. Anders als Molly hatte sie sich nie Kinder oder das Leben einer gutsituierten Vorstadthausfrau nach dem Beispiel ihrer Mütter gewünscht.
Sie näherten sich dem Bahnhof. Der Zug pfiff. »Gerade noch rechtzeitig«, verkündete Lou freundlich, hielt an, stieg aus und öffnete ihr die Tür. »Soll ich Sie heute abend abholen, Mrs. Whitehall?«
Jenna zögerte. »Ja, ich bin zur gewohnten Zeit hier. Richten Sie meinem Mann aus, daß ich nach Hause komme.«
21
G uten Morgen, Herr Doktor.«
Peter Black sah von seinem Schreibtisch auf. Die verstörte Miene seiner Sekretärin verriet ihm, daß sie keine guten Nachrichten hatte. Louise Unger war zwar recht schüchtern, aber eine äußerst tüchtige Bürokraft. Ersteres ging Peter Black zuweilen auf die Nerven, doch ihre Fähigkeiten machten diesen Fehler wieder wett. Ein Blick auf die Wanduhr verriet ihm, daß es erst halb neun war. Wie so häufig war Louise schon vor Dienstbeginn im Büro.
Er murmelte eine Begrüßung und schwieg dann.
»Mr. Whitehall hat angerufen, Herr Doktor. Er mußte ein weiteres Telefonat entgegennehmen, aber er bittet Sie, auf seinen Anruf zu warten.« Louise Unger zögerte. »Ich glaube, er ist ziemlich aufgebracht.«
Peter Black hatte sich schon vor langer Zeit angewöhnt, seine Mimik so zu beherrschen, daß man ihm Gefühlsregungen nicht anmerkte. »Danke für die Warnung, Louise«, meinte er mit einem gekünstelten Lächeln. »Mr.
Weitere Kostenlose Bücher